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Der 7. Lehrling (German Edition)

Der 7. Lehrling (German Edition)

Titel: Der 7. Lehrling (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Hesse
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die Tür in den Angeln. Auf der Schwelle stand ein junger Mann. Er war in die Kleidung eines reisenden Gesellen gehüllt, von der das Wasser tropfte, und rief durch den Raum: „Wirtin, habt Ihr für einen Gesellen auf der Walz ein Zimmer und etwas zu essen?“
    „Ich denke doch“, rief die Wirtin zurück. „Aber nur, wenn Ihr endlich hereinkommt und den Regen draußen lasst!“

Die Horden aus dem Osten
    Alle waren auf Neuigkeiten gespannt und warteten, dass der Geselle in Ruhe aufgegessen hatte. Dann trat die Wirtin an seinen Tisch und rief zum Tresen hinüber: „Adina, bring dem Reisenden und mir bitte ein Glas Wein.“ Gleichzeitig ergriff sie die Rückenlehne eines freien Stuhls, sah den Gesellen an und sprach mit ernster Stimme: „Die Wirtschaft gewährt Euch ein Getränk. Wollt Ihr dies mit Neuigkeiten vergelten?“
    Es war ein alter, immergleicher Spruch. Die Tradition verlangte, dass reisende Gesellen in einer Herberge alle Dinge erzählten, die sie auf ihrem Weg selbst erfahren oder von anderen gehört hatten, wenn sie mit genau dem Spruch, den die Wirtin benutzt hatte, darauf angesprochen wurden. So verbreiteten sich Neuigkeiten auch aus anderen Teilen des Landes, in die sonst niemand kam.
    Der Geselle erhob sich, blickte die Wirtin an und sagte ebenfalls mit ernster Stimme die vorgeschriebene Antwort: „Gern nehm ich Euer Angebot an. Nichts verschweigen will ich, noch etwas hinzuerfinden. Ob's aber wichtig oder nicht, das mögt Ihr selbst beschließen.“
     
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    Das waren die Worte, auf die alle Anwesenden gewartet hatten. Jeder nahm seinen Stuhl und sein Getränk, und alles setzte sich um den Gesellen herum. Niemand wollte auch nur ein Wort verpassen.
    Adina nahm geschickt und unauffällig die Bestellungen auf, während der Geselle erzählte. Mehr als einmal lächelte die Wirtin dankbar zu ihr hinüber. Und jedes Mal versetzte dieses offene Lächeln Adina einen kleinen Stich ins Herz.
     
    Sie hatte gerade nicht genau zugehört, da sie sich eine Reihe von Bestellungen merken musste. Aber plötzlich verstummten die leisen Unterhaltungen der Dorfbewohner, die die Erzählungen des Gesellen bis dahin begleitet hatten. Adina schaute zum Tisch hinüber.
    „... weiß genau, wer sie sind. Von allen werden sie, wie gesagt, nur
Die Horden aus dem Osten
genannt. Sie sollen seltsam aussehen. Ein wenig kleiner als wir. Das schwarze Haar in einem langen Zopf auf dem Rücken getragen. Braune Kleidung. Stiefel. Eiserne Helme auf dem Kopf. Lange, gebogene Schwerter. Alle auf Pferden, die aber auch ein gutes Stück kleiner sind als die unseren. Und vollkommen unbarmherzig, wenn sich ihnen jemand in den Weg stellt.“ Er nahm einen Schluck Wein und fuhr fort.
    „Sie sind vor etwas über einer Woche bei Serding über die Grenze gekommen. Es müssen weit über einhundert Krieger sein. Nachdem sie dort die Stadt geplündert und einige Leute verschleppt haben, sind sie nach Westen weitergezogen. Sie haben große Ochsenkarren dabei, auf denen sie ihren Raub transportieren. Seltsamerweise haben sie die Frauen verschont. Bei den Gefangenen handelt es sich ausschließlich um Knaben und Männer. Sie wurden an die Ochsenkarren gefesselt und müssen laufen.“ Er trank noch einen Schluck.
    „Die Serdinger haben schnell gemerkt, dass die meisten mit dem Leben davonkommen, wenn sie die Plünderung über sich ergehen lassen. Und es waren auch lediglich knapp eineinhalb Dutzend Gefangene, die gemacht wurden. Danach sind sie sofort weitergezogen. Seltsam. Es scheint ihnen nicht darum zu gehen, sich hier niederzulassen oder die Mädchen und Frauen zu rauben wie einst die Nordländer.“ Er machte eine kurze nachdenkliche Pause, schüttelte dann aber den Kopf.
    „Was nützt das Rätselraten. Schließlich soll ich nichts dazuerfinden, oder? Jedenfalls werden in Serding nun einige Bäcker- und Brauergesellen gebraucht. Unter denen haben sie hauptsächlich ihre Gefangenen ausgesucht. Auch Lehrlinge wurden mitgenommen. Den Dachdeckermeister und einige Gesellen auf einer Baustelle haben sie ohne Zögern erschlagen, als sie sich ihnen in den Weg stellten.“ Er trank wieder einen Schluck.
    „Ich bin vorsichtig auf ihrer Spur gereist, immer ein oder zwei Tage hinter ihnen. Sie scheinen ihre Gefangenen gut zu behandeln, jedenfalls habe ich keine Ermordeten am Wegrand gesehen. Dann bin ich einen Tag von hier von ihrer Spur abgebogen. Wenn sie ihre Richtung beibehalten haben, sind sie mit der Fähre auf die andere Flussseite

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