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Der 7. Rabe (German Edition)

Der 7. Rabe (German Edition)

Titel: Der 7. Rabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt , Sandra Busch
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trat näher, legte ihm einen Arm um die Schulter und knuffte ihn sachte in die Seite.
    „Ich will ihn behalten“, wiederholte Farres angespannt.
    „Behalten? Das Hühnchen?“ Farouche ließ ihn los und nahm auf seinem Thron Platz, als würde die Idee ihm die Kraft nehmen, auf eigenen Füßen zu stehen.
    „Glaubst du, ich will auf Dauer dieses Rabengesocks in meiner Burg haben?“, brüllte er gleich darauf. Mehrere Wölfe erhoben sich und schlichen mit zwischen die Beine geklemmten Ruten hinaus. Farres konnte es ihnen nicht verübeln. Er wäre gerne ebenfalls verschwunden. Lediglich Fingram bekam mittlerweile so spitze Ohren, dass es schon an Unverschämtheit grenzte, weil er ihr Gespräch derartig offensichtlich belauschte. Trotzig nickte Farres.
    „Er gehört mir“, sagte er allen Mut zusammenkratzend. „Ich entscheide über sein Schicksal.“
    Farouche lehnte sich in seinem Thronsessel zurück und legte nachdenklich einen Finger gegen seine Lippen.
    „Du entscheidest?“, hakte er mit viel zu freundlicher Stimme nach. „Ich sage dir eins, Farres: Spiel mit ihm. Zerrupf ihn. Von mir aus töte ihn. Aber Raben als Haustiere dulde ich nicht. Wenn du ihn nicht gegen ein Lösegeld tauschen willst – in Ordnung. Dann wirst du ihn töten. Verstanden?“
    Seine Gedanken wirbelten fieberhaft durcheinander, als er einen Ausweg aus seinem Dilemma suchte, wohl wissend, dass Farouche jede kleinste Mimik in seinem Gesicht studierte. Auch Fingram und Ephrim beobachteten ihn gespannt.
    „Farres, ich habe dir eine Frage gestellt.“ Farouches Stimme bekam jenen gefährlichen Unterton, der darauf hindeutete, dass er gleich überschnappen würde.
    „Ich …“
    Ein Wolf kam zu ihnen und grinste ihn frech an.
    „Ich habe gerade ein Hühnchen gesehen, das die Stufen zum Ostturm hinaufhüpfte“, berichtete er. „Es roch verdammt nach deinem Eigentum, Welpe.“
    „Farres!“, zischte Farouche. „Du hast ihn erneut ungefesselt allein gelassen?“
    „Der Junge ist zu nachlässig.“ Ephrim klang vorwurfsvoll.
    „Er hatte einen Schlaftrunk inne“, brachte er noch heraus, bevor er sich in seine Tiergestalt verwandelte und davon sauste.
     
    Raj konnte sein Glück kaum fassen. Das Zimmer seines pelzigen Herrn war unverschlossen gewesen und diese erniedrigende Kette samt dem Halsband war er durch eine rasche Verwandlung losgeworden. Nun schleppte er sich in seiner Menschengestalt – als Rabe hätte er zu Fuß viel zu lange gebraucht – die Stufen zum Turm hinauf. Das erste Fenster würde ihm gehören. Entweder seine zerschnittenen Rückenmuskeln taten ihren Dienst oder er stürzte sich in den Tod. Alles war besser als das hier.
    Randyns schockierter Blick, als er mich an Farres‘ Seite entdeckt hat … Das unerträgliche Mitleid und die Hilflosigkeit überstehe ich nicht. Ich muss etwas tun. Die Wölfe quälen mich ansonsten Tag für Tag zu Tode. Er schämte sich bitter, dass Randyn ihn nackt, zerschunden und wie einen Köter angeleint hatte sehen müssen. Der entsetzte Gesichtsausdruck, als sein Bruder die Bisswunde an seiner Halsbeuge entdeckt hatte und die Erkenntnis, was das bedeutete … Gütiger Gott! Er war von einem Wolf gevögelt worden. Wie sollten ihm seine Brüder jemals wieder in die Augen schauen können?
    Er musste eine Pause machen. Seine Beine zitterten wie verrückt, in seinem Rücken tobte der Schmerz und wie lange war es eigentlich her, dass er etwas gegessen hatte? In dem Gasthaus, das er am frühen Morgen vor unendlicher Zeit verlassen hatte, um gutgelaunt nach Zwanzig Türme zu fliegen? Raj fühlte sich schwach und erbärmlich. Ob das ein Grund war, weshalb die beiden Wölfe, denen er in den muffigen Gängen dieser Feste begegnet war, nicht über ihn hergefallen waren? Sie hatten ihn finster angestarrt, jedoch unbehelligt gehen lassen. Oder bot Farres‘ Markierung tatsächlich einen gewissen Schutz? Er wäre jetzt jedenfalls ziemlich schutzlos, wenn Farres in sein Zimmer zurückkehrte und es leer vorfand. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass dieser seltsame Trunk vor seiner Rückkehr keine Wirkung mehr zeigte.
    Anstatt herumzustehen und sich von seinem miesen körperlichen Zustand überrollen zu lassen, sollte er sich beeilen, dass er hier weg kam. Hastig stolperte er weiter.
    Da! Eine Tür! Raj stieß erleichtert den Atem aus und schob den Riegel auf. Das Zimmer dahinter war leer, das Fenster zur glückverheißenden Freiheit unvergittert. Das nahe drohende Heulen mahnte ihn, sich zu

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