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Der 7. Rabe (German Edition)

Der 7. Rabe (German Edition)

Titel: Der 7. Rabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt , Sandra Busch
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nicht, darum gehorchte er ganz einfach. Wobei es alles andere als einfach war, sondern endlos lange dauerte und das kleine bisschen Energie raubte, das ihm verblieben war.
    „Nicht erschrecken!“
    Unerträglicher Gestank hüllte ihn ein, betäubte ihn regelrecht. Farres hatte ihn in einen Eimer gesteckt und stülpte nun einen Deckel darüber. Raj versuchte instinktiv zu entkommen, doch rasch ging ihm die Kraft aus. Für was sollte er auch kämpfen? Um ihn war es dunkel, und die Dunkelheit war stärker als alles andere. Stärker als der Schmerz, stärker als die Angst. Stärker als sein Bewusstsein.
     
    Mit festen Schritten marschierte Farres durch die verworrenen Gänge der Burg. Die wenigen Wölfe, die ihm zu dieser nachtschlafenden Stunde hier unten begegneten, beachteten ihn gar nicht weiter. Die letzten Tage war Farres diesen Weg regelmäßig gegangen, um den Exkrementeneimer aus Rajs Verlies in der unterirdisch gelegenen Jauchegrube zu entleeren. Besitz brachte Verantwortung. Da niemand Raj angreifen oder zum Spaß missbrauchen durfte, oblag es Farres allein, sich um die Bedürfnisse seines Sklaven zu kümmern. In den acht Tagen, die Raj bereits in dem dunklen Loch ausharren musste, hatte er mit sich gerungen, geplant, Vorbereitungen getroffen. Die Erkenntnis, dass ihm der Kleine trotz aller Mühe und Pflege unter den Fingern wegzusterben drohte und die wachsende Ungeduld von Farouche, der ihn täglich drängte, das Rabenviech endlich umzubringen, hatten den letzten Ausschlag gegeben.
    Dass er Raj in dem zwar leeren, doch nicht gereinigten Eimer trug, tat ihm zwar selbst in der Seele weh, es blieb allerdings keine andere Methode, ihn an den sensiblen Nasen seines Rudels vorbeizuschmuggeln. Hoffentlich erstickte ihm der Kleine darin nicht …
    Die Jauchegrube befand sich unterhalb einer natürlichen Höhle und eigentlich schon außerhalb der Burg. Es gab einen Verbindungsschacht vom Abtritt aus, über den auch Müll jeder Art entsorgt wurde. Ein Rohr, aus Kupferplatten geschmiedet, führte alles das, was niemand mehr wollte, durch einen Spalt im Höhlenboden in die Tiefe ab. Wie tief es dort hinabging, wusste niemand, der darüber noch erzählen konnte – man war sich sicher, dass schon mehr als ein Wolfswandler, der spurlos verschwunden war, wie Abfall entsorgt wurde. Das Rohr verschloss den Spalt vollständig und schützte so vor den üblen Gerüchen. Wollte man direkt von hier aus etwas loswerden, konnte man eine Klappe öffnen.
    Farres befreite den ohnmächtigen Raben aus seinem stinkenden Gefängnis. Über die Klappe entsorgte er den Eimer, dann hob er Raj auf und eilte zu einem Wasserfass, das in der Ecke bereitstand, um verschmutzte Gefäße auszuspülen. Das Wasser darin war nicht unbedingt von Trinkqualität, doch es reichte, um den schlimmsten Schaden zu beheben. Der Rabe rührte sich bei der gesamten Prozedur nicht ein einziges Mal – er war besorgniserregend schwach. Immer wieder tauchte Farres den Vogel in das Fass und traktierte dessen Federn sogar mit Kernseife. Dabei waren seine Sinne auf die Umgebung gerichtet, er durfte auf keinen Fall erwischt werden. Zum Glück verlief alles glatt. Niemand hatte das Bedürfnis, sich unnötig in dieser Höhle aufhalten zu müssen und es gab keinen Grund, ihn um diese Stunde zu vermissen. Trotzdem achtete er lieber auf jedes noch so kleine Geräusch. Es lenkte ihn von der Sorge ab, zu lange gewartet zu haben und Raj zu verlieren. Der viel zu langsame, viel zu schwache Herzschlag des wie zerbrochen daliegenden Raben war sein einziger Beweis, dass der junge Mann noch lebte. Verdammt, er brauchte den Kleinen für seinen Plan!
    Sobald er Raj in ein trockenes Tuch eingewickelt hatte, war er selbst dran. So schnell wie möglich zog er sich nackt aus, entsorgte die Kleidungsstücke und rubbelte sich mit der Seife ab, bis er sicher war, seine Witterung für einige Minuten zerstört zu haben. Mit Raj im Arm rannte er los, in einen der Tunnel hinein, der zur Flucht diente und ihn rasch ins Freie führte. Dabei blieb er in menschlicher Gestalt, in der ihm mehr Zeit blieb, bevor seine Hautdrüsen dafür sorgten, dass die Wölfe ihn aufstöbern konnten.
    Der Ausgang des Tunnels war unbewacht, da er in den Canisklamm hineinführte, in den man von außen nicht ohne weiteres gelangen konnte. Und selbst wenn es jemand schaffte, sich auf diese Weise Zutritt zu verschaffen, würde er spätestens an den schweren Eisentoren scheitern, die die unterirdischen Gänge von der

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