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Der 7. Rabe (German Edition)

Der 7. Rabe (German Edition)

Titel: Der 7. Rabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt , Sandra Busch
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Ich werde dich in unsere Mäntel wickeln und in den Beutel stecken, damit du warm und geschützt bleibst, falls uns die Strömung gegen die Felsen wirft. Und während du betest, dass wir das andere Ufer sicher erreichen, werde ich mein Bestes geben. Es dauert zu lange, eine Furt zu suchen. Und wir werden den Vorsprung dringend benötigen, wenn uns Farouche auf der Spur ist.“
    Der Name seines Bruders war offenbar ausreichend, damit Raj für den nächsten Bissen freiwillig den Schnabel aufsperrte. Farres grinste.
    „So ist es Recht.“ Das Grinsen erlosch, als er über den Fluss hinwegschaute. Ein Spaziergang würde das nicht werden, Farres sah das ganz realistisch. Er ahnte auch, dass er anschließend neue Kräfte schöpfen musste, um mit seinem verkrüppelten Fuß weiterhumpeln zu können. Vielleicht war Raj dann wenigstens kräftig genug, dass er auf seinem Rücken reiten konnte. Als Wolf war das Vorankommen einfacher. Und schneller! Auch Farouche würde ihn in Wolfsgestalt verfolgen.
     
    ~*~
     
    „Niemand hat ihn fortgehen sehen? Niemand?“ Farouche sprang von seinem Thron auf und starrte Ephrim wütend an.
    „Wie ist das möglich?“, brüllte er. „Schlafen die Wachen?“
    „Vielleicht ist er nur auf einem kleinen Streifzug“, versuchte Ephrim abzuwiegeln.
    „So ein Unsinn! Merke nur ich in diesem Haufen, dass mein Bruder Schmerzen in seinem Fuß hat? Rieche lediglich ich, dass diese Wunde noch längst nicht verheilt ist? Da wird er kaum auf einen Streif…“ Farouche hielt inne. Ihm war etwas eingefallen.
    „Hast du auch in den Verliesen nach ihm gesucht?“
    Ephrims Miene hellte sich auf. „Nein, an die Verliese habe ich nicht gedacht. Bestimmt ist er bei diesem dürren Hühnchen, diesem erbärmlichen Zwerg, der kaum größer als ein Spatz ist. Ich werde gleich einmal nachseh…“
    Farouche wartete gar nicht erst ab. Er verwandelte sich und jagte zähnefletschend durch die dämmrigen Gänge, bis in die düsteren Verliese hinab. Die Tür zu der Zelle des Raben war verschlossen und er musste menschliche Gestalt annehmen, um den Riegel zu öffnen. Obwohl seine scharfen Wolfsaugen ihm sagten, dass die Zelle verlassen war, riss er sich eine flackernde Fackel aus einer Wandhalterung. Leer! Waren Raben hier eingedrungen und hatten den Gefangenen befreit? Witternd sog Farouche die Luft ein. Alles, was er roch, war Schmutz, Wolf, Raj und Scheiße. Keine fremden Gerüche. Also musste sein Bruder zusammen mit dem Hühnchen die Feste verlassen haben. Aber wie waren sie an den Wachen vorbeigekommen? Er tat einen Schritt in die Zelle und überlegte fieberhaft. Dann fiel es ihm auf: Der stinkende Eimer war fort. Ein schlichter Eimer aus Zinn mit einem Deckel, groß genug, um die Notdurft eines Menschen aufzunehmen. Oder auch groß genug für einen Raben.
    Farouche machte auf dem Absatz kehrt und rannte weiter zu den Abfallgruben, Ephrim dicht hinter sich. Suchend schaute er sich hier um, trat sogar an das Kupferrohr und spähte in die undurchdringliche Finsternis. Würde jemand so verzweifelt sein, dort hinein zu springen? Er schüttelte den Kopf. Sein Bruder war kein Narr. Der hatte irgendetwas vor und was auch immer das war, er würde nicht sein Leben riskieren.
    „Hier liegt Seife und sie wurde benutzt“, hörte er Ephrim sagen.
    „Lass sehen!“
    Sein Gefährte hatte Recht. Irgendjemand hatte sich hier gewaschen. Oder wurde gewaschen … Farouche fischte eine einzelne kleine Feder aus dem Wasserfass.
    „Er ist mit dem Zwerg fort?“, fragte Ephrim verblüfft.
    „Ja“, knurrte Farouche fassungslos. „Es scheint so, als wäre mein eigener Bruder ein Verräter. Such Männer zusammen, Ephrim. Wir werden seiner Fährte folgen. Sie wird sicherlich zu den Zwanzig Türmen führen. Und wenn wir Farres eingeholt haben, wird er mir einige Erklärungen schuldig sein.“
     

7.
     
    Raj wehrte sich nicht, als Farres ihn hochhob. Zum einen war er zu schwach, zum anderen wollte ein Teil von ihm nichts lieber, als dem Wolf zu vertrauen. Ihm blieb keine Wahl, ohne ihn wäre er längst tot. Ohne ihn hätte er keine Chance.
    Aber da war noch mehr, nicht nur diese Abhängigkeit. Es hatte schon im Wald begonnen. Farres Stimme hatte, sofern sie allein waren, stets voll Sorge geklungen. Ehrliche, aufrichtige Sorge, zusammen mit ebenso aufrichtigem Respekt. Und auch jetzt riskierte der Wolf sein Leben, hatte mit endloser Geduld alles versucht, nur um ihn zu Kräften zu bringen. Raj wusste nicht, was der Wandler vorhatte.

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