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Der 7. Rabe (German Edition)

Der 7. Rabe (German Edition)

Titel: Der 7. Rabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt , Sandra Busch
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unvermeidlichen Geruch würde der Regen halbwegs wegspülen. Und wenn er Glück, großes Glück hatte, dann wäre er mit Raj über der Nande, bevor bekannt wurde, dass er die Canisfeste verlassen hatte.
    Nach dem Besuch der beiden Rabenbrüder hatte er mehrere Stunden brütend in seinem Zimmer gesessen. Zweimal hatte sich Randyn ihm zu Füßen geworfen – eine Geste, die Farouche bei all seiner Liebe nie eingefallen wäre. Wiederholt hatte Randyn behauptet, diese Fangeisen nicht aufgestellt zu haben. Farres hatte eine winzige Regung in seinem Inneren verspürt, die ihm aus einem nicht zu greifenden Grund zuflüsterte, Randyn Glauben zu schenken. Es entsprach der Wahrheit, dass zumindest Rajadas Schwarm niemals einen Gefangenen gefoltert hatten.
    Bis zu dem Vorfall mit meiner Schwester und ihren Begleitern, korrigierte er sich gleich darauf. Eine sachte Bewegung unter seinem Mantel veranlasste ihn, Raj ein wenig fester an seine Brust zu drücken. Der nasse Federklumpen wurde langsam wärmer. Farres unterdrückte ein Lächeln, ehe er sich erneut in Gedanken verlor. Er verabscheute diesen Krieg und er wollte nicht, dass es weitere Opfer gab. In der Canisfeste liefen genügend Wölfe herum, die tiefe Narben trugen, deren Ohren zerfetzt und Augen erblindet waren, weil die Raben mit Schnäbel und Krallen auf sie losgegangen waren. In Zwanzig Türme sah es sicherlich ähnlich aus. Was lag daher näher, als diesen elenden Krieg zu beenden? Der uralte Torka hatte ihm zu Welpenzeiten einmal erzählt, dass das Land einst zwischen den ersten Königen ihrer beider Sippen gerecht aufgeteilt worden war. Die Grenzen wurden einvernehmlich auf einer Landkarte dokumentiert und beide Könige hatten ihr Siegel darauf gesetzt. Auf seine unschuldige Frage, warum man heute nicht die Karte heranziehen würde, um den Krieg zu beenden, hatte Torka die gichtigen Schultern gezuckt und etwas davon gemurmelt, dass die Karte schon lange verschwunden war.
    Diese Information war Farres nach dem ersten Besuch von Randyn wieder eingefallen und er hatte hin und her überlegt, wo sich die Karte heute wohl befinden könnte. Ausgerechnet Raj brachte ihn auf eine Idee: Die Hohe Akademie. Von dort waren einst die Ratgeber der Raben- und Wolfskönige gekommen, um bei den Regierungsgeschäften zu helfen und die Nachkommen zu unterrichten. Noch heute verfügte die Hohe Akademie über die weltgrößte Bibliothek, die nur auserlesene Personen einsehen durften. Daher durfte er Raj nicht gegen ein Lösegeld tauschen. Raj war sein Schlüssel zu eben dieser Bibliothek. Er musste lediglich dafür sorgen, dass er ihn lebend dorthin brachte. Unwillkürlich warf er einen Blick in seinen Mantel. Raj schlief den Schlaf eines vollkommen Erschöpften. Inzwischen fühlte er sich jedoch nicht mehr nass und kalt an. Seine Federn waren getrocknet und Farres Körperwärme hatte das Zittern aus diesen viel zu zerbrechlichen Rabenknochen getrieben.
    Wie hübsch diese dunklen Federn glänzen …
     
    Die Nande war weit über die Ufer getreten. Der anhaltende Regen hatte den Fluss anschwellen lassen und in ein reißendes Gewässer verwandelt. Weiß schäumten die kalten Wassermassen dort, wo Felsen aus ihren Tiefen ragten. Farres kauerte auf einem Findling und zwang Raj erneut Fleisch auf. Inzwischen bluteten mehrere seiner Finger, weil sich dieser verdammte Rabe für die zugegebenermaßen unwürdige Behandlung rächte. Aber noch immer war Raj für eine Verwandlung zu schwach. Allmählich machte sich Farres Sorgen um seinen Flügel. Wenn er tatsächlich gebrochen war, musste der Knochen möglichst bald geschient werden. Ansonsten würde der Rabe zukünftig ein Fußgänger bleiben. Vorsichtig hatte er die Schwinge trotz aller gekrächzten Proteste untersucht. Fasziniert hatte er den filigranen Aufbau des Flügels betrachtet, den harmonischen Schwung der einzelnen Federn bestaunt und sich gefragt, wie so etwas Zierliches einen Körper in der Luft halten konnte. Als er den Oberarmknochen abgetastet hatte, hatte Raj schrille Schmerzenslaute von sich gegeben.
    „Ich kann dir nicht helfen, solange du dich nicht verwandelst. Und das wird nicht geschehen, wenn du nicht isst“, hatte er Raj zu erklären versucht und ihm weiteren Fleischbrei in den Schnabel gestopft. Dabei war ihm aufgefallen, dass sein fedriger Besitz ständig unruhig auf die Nande starrte.
    „Wir müssen dort hinüber, Raj. Es wird ein ziemlich ungemütliches Schwimmen werden und du wirst dich mir anvertrauen müssen.

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