Der 7. Rabe (German Edition)
während Raj auf seiner Brust hockte und ihn erbarmungslos auskitzelte.
„Vor fünf Jahren hätte der Kurze ihn nicht unten halten können“, murmelte Ryskal mit einem Lächeln. „Raj ist flügge geworden, zweifellos.“
„Randyn hat sich die Augen ausgeheult, als er von der Canisfeste zurückgekommen war. Es hatte ihn fast umgebracht, Raj gefoltert und halb zerstört erleben zu müssen.“ Rynalph warf ihm einen provozierenden Seitenblick zu, den Farres ignorierte.
„Es hatte mich fast umgebracht, meine Schwester ermordet aufzufinden“, erwiderte er stattdessen gezwungen ruhig.
„Ich kann nur wiederholen, was wir bereits hunderte Male gesagt haben: Deine Schwester ist nie bei uns angekommen und keiner von uns hat Schnabel oder Klaue an sie gelegt.“
Eine Behauptung, die Farres nie geglaubt hatte. Doch er witterte keine Lüge in Ryskals Worten. Wenn nun Ephrim dafür verantwortlich wäre? Ein schockierender Gedanke! Ephrim hatte Farja auf seinem Rücken getragen, als sie ein Welpe war. Sie hatte in seinen Armen geschlafen, hatte bei ihm Trost über den Tod ihrer Mutter gesucht, die nach einem Unfall dem Wundfieber erlegen war. Würde Ephrim so etwas tun, nur um den Kriegswahn zu schüren?
Farres zwang sich, diese Gedanken zuzulassen. Das Wolfseisen hatte auf einem Pfad gelegen, den er – und nur er allein! – jeden Morgen gegangen war, um die Grenzen zu kontrollieren. Farouche war ihm manchmal gefolgt, um mit ihm allein über die Belange des Rudels sprechen zu können, aber logisch betrachtet war es die beste Möglichkeit, einen ganz gezielten Anschlag auf ihn zu verüben. Es war allerdings kein Geheimnis gewesen und auch die Raben hätten es mit ein wenig Beobachtung herausfinden können.
Gott im Himmel, was waren das bloß für Gedanken?
Da widmete er sich lieber dem Anblick seines Liebsten, der sich atemlos vor Lachen über den Boden rollte, ohne die geringste Rücksicht auf seine kaum verheilten Wunden, und dabei so hinreißend aussah, dass Farres ihn hätte vom Fleck weg vernaschen können.
Würde Raj ihn verlassen, wenn das hier vorbei war? Er war glücklich mit seinen Brüdern, es wäre sinnlose Grausamkeit, ihn von seiner Familie fernzuhalten!
„Raben lieben nur einmal“, flüsterte Rynalph plötzlich. „Wir verschenken unser Herz nicht leichtsinnig. Derjenige, dem wir es geben, trägt große Verantwortung, denn gleichgültig was danach kommt, er kann es nicht zurückgeben und nimmt es mit sich, falls er – oder sie, klar – stirbt oder weggeht. Raj ist nicht aus Trotz von uns weg- und zu dir hingeflogen. Er hat damit klar gezeigt, dass er sich entschieden hat. Vielleicht weiß er es selbst noch nicht, aber wer Augen hat, kann es sehen, wie verliebt er in dich ist.“
„Unser Küken hat einen winzigen Körper, aber ein riesiges Herz. Und einen noch größeren Trotzkopf. Das ist keine Kleinigkeit, die du da auf dich genommen hast, Wölfchen“, fiel Ryskal mit ein.
„Also komm nicht auf dumme Ideen. Falls du irgendwo bereits eine nette Fähe und Welpen haben solltest, verabschiede dich von ihnen. Brichst du Rajs Herz, brechen wir dein Genick.“
Farres musste schwer an sich halten, um nicht laut loszulachen. Die beiden Brüder, die ihn gerade finster bedrohten, waren ihm äußerst sympathisch. Und die Aussicht auf lebenslange Treue eines gewissen kleinen Raben machte ihn rundum glücklich. Am liebsten würde er sich jetzt zum Wolf wandeln und vor Freude laut heulen.
„Erzählen die beiden Halunken gerade Lügengeschichten über mich?“ Jener gewisse kleine Rabe warf sich plötzlich ohne Vorwarnung in seine Arme. Raj war verschwitzt, erschöpft und strahlte wie die Sonne.
„Nur ein wenig belanglose Plauderei“, erwiderte Farres und küsste seinen Liebsten. „Wir waren gerade bei den Todesdrohungen angekommen.“
„Dann ist ja alles in Ordnung.“ Raj erwiderte den Kuss inniglich.
Oh ja, in gewisser Hinsicht war das Leben tatsächlich in Ordnung …
~*~
Missmutig beobachtete er die Rückkehr des vierten Rabenbruders. Ob der Verstärkung geholt hatte? Möglicherweise würde bald das gesamte Moor von diesen grässlichem Federviech besetzt werden. Wenn ein ganzer Schwarm ihn jagte, mit einem Wolf als Fährtensucher, dann waren Ephrims Tage gezählt. Nach allem, was er getan hatte, nach allem, was er geopfert hatte, kamen ihm ausgerechnet die lächerlichen Rabenwandler in die Quere! Wo blieb da die Gerechtigkeit? Ihm hätte schon seit Jahren der Thron gebührt!
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