Der 7. Rabe (German Edition)
Arme, kaum dass der die letzten Federn losgeworden war.
Einige Minuten lang schrien und lachten sie alle durcheinander, bis Risser sie schließlich energisch zur Ruhe brachte.
Randyn befühlte derweil vorsichtig Rajs verletzten Rücken. Ein Rücken, der sich gar nicht mehr wirklich verletzt anfühlte, obwohl er den Arm ohne Rücksicht bewegt hatte.
„Mir geht es gut, Bruder“, sagte er leise. Er spürte die Skepsis bei allen Vieren und konnte es ihnen nicht verübeln. Als Randyn und Risser ihn das letzte Mal gesehen hatten, war er kurz davor gewesen, sie um den Tod als Erlösung anzubetteln.
Risser zog sie zu einem trockenen Fleckchen Erde hinüber, wo sie sich hinsetzen und in Ruhe reden konnten.
„Wo will der Wolf mit dir hin? Und warum bleibst du bei ihm, obwohl du genug Gelegenheit zur Flucht gehabt hättest?“
Raj seufzte tief. Wie erklärte man seiner Familie, dass man sich in den Todfeind verliebt hatte? War das nicht genau das, was Nantir mit seinen Legenden über Liebende feindlicher Lager gemeint hatte? Legenden, die allesamt ein tragisches Ende fanden?
„Fühlst du dich ihm verpflichtet?“, fragte Randyn sanft. „Er hat dich aus dem Drecksloch rausgeholt und sich um dich gekümmert, es wäre nur natürlich, dass …“
„Nein.“ Raj schüttelte energisch den Kopf. „Das war es am Anfang. Da bin ich ihm gefolgt, weil er es bestimmt hat und na ja, weil seine Idee einen Versuch wert ist.“ Rasch erklärte er ihr Vorhaben. Es milderte die Skepsis in ihren Gesichtern nicht, ganz im Gegenteil.
„Du weißt, damit rennst du bei Vater offene Türen ein, aber Farouche …“ Risser schüttelte zweifelnd den Kopf.
„Farres ist der Beta. Er ist der Kronprinz der Wölfe und Farouche liebt ihn. Das muss einfach irgendetwas wert sein! Er selbst sagte mir, dass die meisten Wölfe den Kampf leid sind“, hielt Raj dagegen.
„Nun gut, lassen wir das. Nehmen wir an, diese Karte existiert tatsächlich und ihr schafft es, sie zu finden“, sagte Randyn. „Nehmen wir an, alles wird gut und egal wie, der Krieg endet. Was geschieht danach? Kommst du dann mit uns nach Hause?“
Der Schmerz in den Gesichtern seiner Brüder war kaum zu ertragen. Raj musste nicht antworten. Er wusste auch nicht, wie er aussprechen sollte, dass er nur dort leben wollte, wo Farres sich aufhielt. Er verstand nicht warum, wusste nicht, ob es immer so bleiben würde oder ob diese Sehnsucht vielleicht doch bloß aus der Verliebtheit und Not der Umstände entsprang. Wie das funktionieren würde, das mochten Gott oder der Teufel bestimmen – in einem Wolfshort würde er nicht lange überleben, Markierung hin oder her. Was er jetzt bräuchte, wäre Unterstützung. Vertrauen. Eine Schulter zum Anlehnen statt ablehnender Blicke und unausgesprochener Vorwürfe.
„Raj, ich begreife es nicht!“ Randyn zerrte an Rajs Hemd und wies anklagend auf die Narben des Bissmals. „Er hat dich vergewaltigt! Dich versklavt, geschlagen, gedemütigt und der Himmel weiß, was sonst noch! Warum liebst du ihn?“
„Ihr versteht das alles falsch!“, schrie Raj und befreite sich mit einem Ruck, während er aufsprang. Auch seine Brüder schossen in die Höhe. Wie eine Mauer standen sie ihm gegenüber. Raj kämpfte gegen die Tränen. Warum musste er sich zwischen seiner Familie und dem Mann, den er … den – in den er sich verliebt hatte, entscheiden? Es war alles so verdammt verwirrend!
„Randyn, er hat mich nicht vergewaltigt! Klar, ich hätte mich nicht wirklich dagegen wehren können, aber ich habe zugestimmt, dass er mich markiert. Es hat mein Leben gerettet, andernfalls wäre ich bereits in Stücke gerissen worden, bevor wir die Canisfeste betreten hatten! Farres wollte das genauso wenig wie ich und er hat sich wirklich bemüht, es nicht zu schlimm für mich werden zu lassen. Alles, was danach kam – die Eisenschellen, die Demütigungen, dieses dunkle Kerkerloch …“ Raj erschauderte heftig bei der bloßen Erinnerung an lebendige Finsternis, die nach ihm griff, mit ihm spielte, in sein Inneres kroch. Ein Wunder, dass er noch keine Albträume davon gehabt hatte! Andererseits war er bislang stets zu erschöpft gewesen.
„Er hat es zu meinem Schutz getan. Sobald Farouche und die anderen außer Sicht waren, hat er sich stets um mich gekümmert. Mich mit Respekt behandelt, wie einen Freund.“
Verzweifelt ließ er den Kopf hängen. Es gab keine Worte, um zu erklären, was zwischen ihm und Farres geschehen war. Was im Augenblick geschah. Er
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