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Der 8. Februar (German Edition)

Der 8. Februar (German Edition)

Titel: Der 8. Februar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeron North
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nach Warburg und mussten in Warburg einige Straßen überqueren. Überhaupt war der Weg sehr weit, denn die Schule befand sich ja am gegenüberliegenden Ende der Stadt. Wir brauchten also eine halbe Stunde, dazu kam noch ein Berg kurz vor der Schule. Die arme Marietta hatte Asthma, und wir halfen ihr öfters gemeinsam den Berg hinauf. Meine erste Hausaufgabe in Biologie war die Beschreibung verschiedener Kohlsorten. Rosenkohl und Grünkohl lernte ich erst in Rimbeck im Hause Laudage kennen. Rosenkohl zählte zu den edleren Gemüsen für sonntags. Grünkohl kannte ich nur als Matsch aus den Dosen der Konservenfabrik in Parchwitz, welcher mit Schweinefett und Gemüsewurst gekocht wurde. Jetzt schmeckte auch der Grünkohl...
       An dieser Stelle möchte ich einen Dank an die amerikanischen Quäker schicken, die eine tägliche Schulspeisung für die deutschen Kinder spendeten. Ursula und ich bekamen sie ab 1947. Es gab abwechselnd Erbsensuppe und Milchsuppe, Mittwochs gab es ein dickes Brötchen mit Erdnussbutter. Manchmal waren Rosinen in der Milchsuppe, das Erdnussbrötchen habe ich geliebt. Bedürftige Kinder wie wir Flüchtlinge brauchten nichts zu bezahlen, die anderen entrichteten wöchentlich einen kleinen Betrag. Ich sammelte eine Zeit lang das Geld ein, führte Buch und gab es bei einer Lehrerin ab. Das war schon ein verantwortungsvoller Auftrag und ich fühlte mich ein bisschen akzeptiert und respektiert. Nach den langen Jahren der Angst und dem Gefühl der Untertänigkeit war das ein erster Ausblick auf ein menschenwürdiges Leben. Ich durfte keinen Fehler machen und musste durchhalten. Bauernkinder bekamen natürlich keine Schulspeisung, sie brachten ihr Essen von zu Hause mit. Sie waren auch die kräftigsten und lautesten unter den Schülern. Manchmal war ich schon neidisch und zog mich dann ein wenig zurück. Immer wieder fiel mir Papa ein und ich wollte ihm so oft von meinem Essen abgeben, damit er in Sibirien nicht verhungerte. Oft betete ich im Zug ganz leise für ihn und sah sein Gesicht deutlich vor mir. Er lächelte mit seinen Augen, der Mund bewegte sich ein wenig. Ich hätte alles darum gegeben, wieder in seinen starken Armen zu liegen, mit ihm zu den Pferden zu gehen oder einfach nur auf dem Rücksitz unseres Autos zu sitzen und mit ihm wer weiß wohin zu fahren. Vielleicht würde das nie wieder geschehen, die Aussichten waren sehr schlecht. Mein Herz klopfte und ich fühlte mich hilflos, einsam.
       Die Milchsuppe war nur zum Teil aus Milchpulver und wurde sicher mit mehr Wasser gestreckt als vorgesehen. Manchmal war sie dick und enthielt Mehlklumpen. Die Suppen wurden von den Küchenschwestern gekocht, sie machten die Brötchen und verteilten Essen in der großen Pause auf dem Schulhof. Die Gefäße und Löffel brachten wir täglich von zu Hause. Die Schule hatte auch ein Internat, und weit entfernt wohnende Mädchen fuhren nur in den Ferien zu ihren Eltern. Ich war dankbar, dass ich nicht im Internat wohnen musste. So konnte ich wenigstens Mama und meine Schwestern jeden Tag sehen und war nicht allein.
       Zugverbindungen waren knapp und teuer. Hatten wir zu besonderen Gelegenheiten mal nach der vierten Stunde aus, bekamen wir noch einen Fernzug, der immer sehr voll mit Menschen und Rucksäcken war, aber irgendwie fanden wir dann doch noch einen Platz. Die Städter versuchten, gerettete Habseligkeiten gegen Lebensmittel auf dem Lande einzutauschen. Ich erinnere mich an eine Predigt, in der der Pfarrer vehement gegen die Hartherzigkeit vorging und fragte, ob die Bauern jetzt noch die Kuhställe mit Teppichen auslegen wollten.
       In den ersten Nachkriegsjahren waren Kartoffeln Hauptnahrung. Mama und Frau Laudage gingen jeden Tag in den Garten, der sich aber nicht direkt am Haus befand, um dort zu pflanzen und zu ernten. Jede Ecke des Gartens wurde zum Gemüseanbau genutzt und so hatten wir Abwechslung zu den Kartoffeln. Es gab dort auch Salat und dicke Bohnen, die in Schlesien Saubohnen hießen und nicht von Menschen gegessen wurden. Morgens machten wir Brotbröckchen in einen Suppenteller, und Mama goss etwas heiße Milch darüber, manchmal gab es etwas Zucker. Von den Eiern machte sie Rührei mit Mehl gestreckt für unsere Pausenbrote. Dittrichs und die anderen Familien beklagten sich über die Unfreundlichkeit ihrer Hauswirte, die ihnen beim Wasserholen oder um etwas Platz im Keller Schwierigkeiten machten. Es gab keine Arbeit. Im Frühjahr und Sommer 1947 konnten die jüngeren

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