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Der 8. Februar (German Edition)

Der 8. Februar (German Edition)

Titel: Der 8. Februar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeron North
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einen Mantel, dessen Stoff auf Theas Webstuhl hergestellt und auch von ihr genäht worden war. Ursula ging acht Jahre in die Schule, danach hatte sie noch ein Jahr Berufsschule, wobei sie fünf Tage in der Woche mit uns in der Werkstatt arbeitete und einen Tag die Berufsschule besuchte.
       Laudages hatten Verwandte in Amerika, von denen vor Weihnachten 1948 das erste Paket ankam. Von da an gab es Pudding aus feinem Weizenmehl an Sonn- und Feiertagen, den Frau Laudage samstags kochte und kaltstellte. An Kuchen kann ich mich nicht erinnern, aber ich weiß, daß sich Frau Laudage immer über den Bohnenkaffee freute. Sie hatte einen schwachen Blutdruck und war auf den Kaffee angewiesen. Unsere Familie zog im Frühjahr 1949 bei Laudages aus, denn uns wurde eine Wohnung mit großer Küche und zwei kleinen Zimmern über der Gastwirtschaft Schröder zugewiesen. Die Eltern und Ruth durften ihre Betten von Laudages mitnehmen, Ursula und ich erhielten das Bett der verstorbenen Eltern Ida Fuests als Leihgabe. Auch lieh sie uns Esszimmermöbel für 100 DM im Jahr, so hatten wir wieder einen Anfang. Laudages überließen unseren Eltern zusätzlich einen alten Kleiderschrank, der noch keine Kleiderstange, sondern mehrere Kleiderhaken hatte. Ich meine, er war wohl noch aus dem 19. Jahrhundert. Sie gaben uns außerdem einen alten, aber funktionstüchtigen Herd.
       Mama und Papa wuschen sich im Keller der Gerberei und wir Kinder badeten in einer Zinkwanne in unserer Küche. Die Toilette befand sich auf dem Flur und wurde mit einem anderen Mieter geteilt. Um Geld zu verdienen, mussten wir unsere Produktion umstellen. Wir begannen Lederhosen zu nähen und setzten Annoncen in die Zeitung. Weiterhin machten wir Motorradbekleidung aus Ziegenleder: Jacken in Blousonform mit verstärkten Ellenbogen und Nierenschutz, Handschuhe und Hauben. Das alles war sehr, sehr mühsam, aber wir hielten uns über Wasser. Papas Rente war nur sehr klein, anfangs waren es 80 DM, Jahre später 120 DM. Eines Tages überraschte uns Papa mit einem Auto, einem Vorkriegs-DKW, den man nicht mehr abschließen konnte. Papa brachte uns damit das Fahren bei, was völlig neu für uns war. Am Anfang war es mit der Revolverschaltung noch etwas schwierig, doch dann ging es ganz gut. Ich meldete mich aus Geldmangel aber nicht in der Fahrschule an und verschwendete auch keinen weiteren Gedanken daran. Es war keine Priorität und konnte warten. Als mein Vater und ich einmal in Paderborn waren, mußte ich nach Hause fahren, weil ihm während der Fahrt so schlecht wurde, dass er sich nicht mehr konzentrieren konnte. Er hatte Geschwüre von den russischen Spritzen bekommen und es ging ihm nicht gut. Damals waren noch nicht viele Autos auf den Straßen und so hatte ich nur ein mit Holz beladenes Pferdefuhrwerk zu überholen. Später hatten wir einen Vertreter, der Pleite ging und uns die Kommissionsware nicht bezahlen konnte, aber er hatte einen alten Opel, der den Krieg mitgemacht hatte. Diesen Opel nahm mein Vater als Ersatz und verkaufte den DKW, der in einem besseren Zustand war und mehr einbrachte. Der Opel hatte zerrissene Sitzpolster und wir verkleideten sie mit Futterstoff. Er wurde noch mindestens ein Jahr gefahren, ehe wir einen gebrauchten Opel Rekord kaufen konnten. Geschäftlich ging es immer wieder auf und ab, bis wir eine Anfrage nach Tornisterkalbfellen aus Uruguay hatten, die nach dem Muster der ehemaligen Wehrmacht gefertigt werden sollten. Also brauchten wir eine Beschneidemaschine (spezielle Maschine in der Gerberei) und eine teure Messerschleifmaschine. Papa setze sich hin und machte die Zeichnungen, die er an den Rimbecker Schlossermeister Josef Schulte weitergab. Das war ein sehr begabter Mann, der die Maschine in kurzer Zeit herstellte. Josef hatte schon im Ersten Weltkrieg gekämpft und die meisten seiner Kameraden neben sich in Verdun verloren. Seine Tochter Klothilde war 1945 mit achtzehn Jahren an einem angeborenen Herzklappenfehler verstorben, den man heutzutage operieren kann. Außer ihr hatten er und seine Frau Maria noch vier Söhne, und die ganze Familie hatte sich vor Ostern des gleichen Jahres im Rimbecker Wald versteckt, denn die amerikanischen Truppen hatten die Häuser besetzt und keiner in der Familie wollte zur Zielscheibe werden. Als sie nach zwei Tagen zurückkehrten, hatte das Haus unzählige Einschüsse und war verlassen. Die Truppen waren Richtung Osten weitergezogen. Die Schulte-Brüder waren zu jung zum Kriegseinsatz und

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