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Der 8. Tag

Der 8. Tag

Titel: Der 8. Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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ihr den Mantel anzog und ihr die Schuhe überstreifte, kam sie sich wie ein Kind vor. Nachdem er die Nylonstrümpfe, mit denen sie gefesselt gewesen war, entfernt hatte, zirkulierte auch das Blut wieder in ihren Händen und Füßen. Ihre Kehle war von dem Knebel ganz rau.
    »Seitlich an deinem Hals entsteht ein übler blauer Fleck«, meinte er. »Zum Glück habe ich einen Schal mitgebracht. Ich lege ihn dir an. Genau so, nun kann niemand etwas sehen. Wir werden ja niemanden treffen, wenn du mir die Wahrheit gesagt hast.«
    »Ich habe doch schon gesagt«, entgegnete sie mit flacher, rauer Stimme, »ich kann nicht dafür garantieren. Jeder, der am Institut angestellt ist, entscheidet selbst, wann er arbeitet. Ich bin selbst häufig bis nach Mitternacht hier. Aber wir kümmern uns nicht umeinander. Wir machen unsere Arbeit und gehen dann nach Hause.«
    »Und kein Sicherheitsdienst?«
    »Nur die Alarmanlage, wie ich schon gesagt habe. Und George, der von zehn Uhr abends bis sechs Uhr morgens da ist. Aber George ist mehr ein Hausmeister als ein Nachtwächter. Wenn wir zusammen sind, wird er dich nicht behelligen.«
    »Ich vertraue darauf, dass du mir die Wahrheit sagst. Ansonsten geht es George genauso an den Kragen wie dir. Und jedem anderen, der mir in den Weg kommt.«
    »Das wird keiner.«
    »Gehen wir.«
    Er half ihr aus dem Wagen und sie hing an seinem Arm, während er ihr Handgelenk wie einen Schraubstock fest hielt.
    Ein unvoreingenommener Beobachter hätte sie für ein Pärchen gehalten, das einen Abendspaziergang machte und in ein angeregtes Gespräch vertieft war. Was aber niemand sah, war das Messer, das er in seiner anderen Hand flach an ihren Arm gepresst hielt und das von ihrem Mantelärmel verborgen wurde.
    Sie führte ihn am Haupteingang des Instituts, der während des Tages benutzt wurde, vorbei um die Ecke zu einer Seitentür, die nur den Angestellten bekannt war, die einen Code dafür besaßen, der in den Öffnungsmechanismus eingegeben werden musste. Als sie die Tür erreicht hatten, spürte sie, wie sich die Messerspitze durch die Falten des Mantels hindurch warnend gegen ihre Rippen presste.
    »Mach nichts, was mich verärgern könnte.«
    Sie tippte einen sechsstelligen Code ein. Das Schloss gab ein Klicken von sich und sie stieß die Tür auf. Ihre Schritte klangen dumpf auf dem Zementboden und nahmen einen anderen Klang an, als sie die mit Marmor geflieste Halle erreichten.
    Das einzige Licht kam von der trüben Notfallbeleuchtung über ihnen.
    Sie wollten gerade die Haupttreppe hinaufsteigen, als Schritte hinter ihnen ertönten. Sein Griff wurde fester.
    »Denk daran«, flüsterte er in ihr Ohr.
    Ein kleiner, rundlicher Mann war als Silhouette in dem Licht, das aus seinem winzig kleinen Büro fiel, zu sehen. Er trug eine Art Uniform, doch die Jacke war nicht zugeknöpft und sein Schlips gelockert. Aus dem kleinen Schwarzweißfernseher hinter ihm erklang eine Filmmusik.
    »Guten Abend, George. Ich bin’s, Tessa Lambert«, rief sie ihm zu.
    »Oh, Dr. Lambert. Arbeiten Sie wieder mal spät?« Er spähte in die Dunkelheit, machte aber keine Bewegung mehr Licht anzuschalten. »Das ist doch nicht Danny da bei Ihnen?«
    »Ein Kollege. Wir wollen ein Programm laufen lassen. Es wird nicht länger als eine Stunde dauern.«
    »In Ordnung, Dr. Lambert«, gab George zurück und er klang wie ein Mann, der an die Eigenheiten von Wissenschaftlern gewöhnt war und sich nicht darüber wunderte. »Sie machen bitte das Licht oben aus, wenn Sie gehen, ja?«
    »Ja, George. Machen Sie sich keine Sorgen.«
    Er ging wieder zu seinem Fernseher und schloss die Tür.
    Die beiden stiegen die Treppen hinauf.
    »Gut, Tessa. So weit, so gut«, meinte er sanft. »Mach genauso weiter.«
    Am Ende der Treppen gingen sie den Korridor entlang, an den er sich noch von seinem ersten Besuch her erinnerte. Es war dunkel bis auf einen Lichtstrahl, der durch eine dreißig Zentimeter große, quadratische Scheibe in einer Labortür auf den Korridor fiel. Als sie näher kamen, fühlte sie, wie sich sein Griff verstärkte.
    »Ich habe doch gesagt, dass sich um diese Uhrzeit niemand um den anderen kümmert«, beruhigte sie ihn.
    Als sie an dem Labor vorbeikamen, warfen beide einen Blick hinein. Zwei Männer beugten sich über ein Geräteteil, das sich am gegenüberliegenden Ende einer langen Werkbank befand. Tessa kannte beide vom Sehen aber nicht dem Namen nach.
    Sein Griff ließ nach, wurde aber erneut fester, als sie um eine Ecke bogen und

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