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Der 8. Tag

Der 8. Tag

Titel: Der 8. Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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gemein.
    Später machen wir noch ein paar Aufnahmen.«
    Einen Moment lang herrschte Schweigen zwischen ihnen, gerade lange genug um ihr bewusst zu machen, dass an diesem Mann etwas war, was sie näher ergründen wollte. Cousins zweiten Grades konnten heiraten. Nicht, dass sie wirklich daran gedacht hätte.
    »Ich nehme an, du bist mit dem Wagen hier«, brach er das Schweigen.
    »Er steht in der Tiefgarage.«
    »Nehmen wir doch meinen und holen deinen nach dem
    Essen ab? Ist das eine gute Idee?«
    »Ja.«
    »Gut. Gehen wir.«
    »Halt, ich muss noch telefonieren.«
    »Das kannst du von meinem Auto aus machen.«
    Er schwang seine Tasche über die Schulter. Dann, so als ob er sich plötzlich an sein gutes Benehmen erinnern würde und seinen Fehler wieder gutmachen wollte, streckte er seine Hand aus.
    »Es ist wirklich schön, dich zu treffen, Sandy.«
    9
    TIM KELLY BEOBACHTETE, wie sein Vater um den Tisch herumging und die Gläser füllte. Der große Mann war sechzig, aber immer noch beweglich wie ein Boxer, der er einmal gewesen war. Es gab nur eine Andeutung von Beleibtheit um seine Taille und seine Schultern bewegten sich muskulös unter dem Hemd.
    Das war ein Mann, der immer noch, wenn nötig, einen Schlag austeilen konnte, doch jetzt lagen seine großen Hände vorsichtig um zwei Flaschen, die in der Art, wie er sie hielt, an Modellflugzeuge erinnerten. In der einen war California Cabernet und in der anderen für die, die es mochten, bester irischer Whiskey. Er füllte jedes Glas außer seinem eigenen, das seit neunzehn Jahren immer nur reines Leitungswasser enthielt.
    So als ob er den Blick seines ältesten Sohnes gespürt hätte und möglicherweise auch die Gedanken, die dahinter standen, hob Matt Kelly sein Glas, zwinkerte und prostete ihm über den Tisch hinweg zu.
    Tim hob sein Weinglas und erwiderte die Geste, lächelte in das runde Gesicht, das er so hingebungsvoll liebte und das er einst so gefürchtet und gehasst hatte, dass er noch heute erschrak, wenn er sich daran erinnerte.
    Esther Kelly kam mit zwei weiteren jener duftenden, frisch gebratenen mit Mais gemästeter Hähnchen aus der Küche herein, die den Hauptgang des österlichen Familienessens ausmachten. Josh, Tims drei Jahre jüngerer Bruder, war schon aufgestanden und hielt Messer und Gabel bereit. Dass Josh das Fleisch aufschnitt, wann immer er zu Hause war, war eine Familientradition, die weiter zurückging als irgendjemand sich erinnern konnte, zurück in Zeiten, an die sich niemand erinnern wollte, jene Tage in denen sie alle in Furcht vor den brutalen Ausbrüchen des betrunkenen Matt gelebt hatten.
    Irgendwie hatte es Esther geschafft, die Familie in jenen schrecklichen Zeiten zusammenzuhalten, indem sie ihre Söhne vor den schlimmsten Ausbrüchen ihres Vaters beschützte, wobei sie manchmal einen Großteil selbst abbekam. Tim wurde immer noch übel, wenn er an die Platzwunden und blauen Flecken, die sich verfärbenden Schwellungen in ihrem Gesicht dachte, wenn sie auf Zehenspitzen in das Zimmer der Jungs kam und Tim flüsternd, damit Josh nicht aufwachte, bat ihr zu helfen den Vater, der irgendwo bewusstlos in der Wohnung umgefallen war, ins Bett zu bringen.
    Der mächtige Polizist war dann manchmal noch in Uniform, manchmal in Unterwäsche, ab und zu auch ganz nackt bis auf einen Bademantel, den Esther um ihn gewickelt hatte, bevor sie ihren Sohn geholt hatte.
    Dies waren die Tage, an denen Tim, wenn er noch an Gott geglaubt hätte, wie es seine Mutter tat, darum gebetet hätte, dass sein Vater sterben möge.
    Weiter unten am Tisch lachte Josh und tauschte Familienanekdoten mit einem Dutzend oder mehr Onkeln und Tanten, Kusinen und Kindern aus, während er deren Teller nachfüllte.
    Doch seine Gedanken waren, wie immer bei solchen Anlässen, bei seinem Bruder Tim. Er wusste, dass der Flug quer durchs Land, die Taxifahrt vom Kennedy Airport zu dem immer gleichen alten Ort in Queens bei Tim Erinnerungen hervorriefen, die fast nicht zu ertragen waren.
    Um der Wahrheit die Ehre zu geben, Joshs Erinnerungen an diese Zeit waren seltsam undeutlich. Er vermutete, dass er sie irgendwie verdrängt hatte, weil sie zu schmerzhaft waren.
    Doch es gab einen Tag, den er nie vergessen hatte und auch nie vergessen würde. Das war der Tag, an dem der fünfzehn Jahre alte Tim schließlich vor seinen Vater getreten war und ihm gesagt hatte, dass es so nicht weiterginge. Der große Mann war zum Berserker geworden. Er schlug seinen Sohn fast tot, brach ihm den

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