Der 8. Tag
lächeln.
»Alles in Ordnung, großer Bruder?«
»Mir geht’s gut. Bring mich bitte nach Hause.«
»Klar.«
»Jack… vielen Dank, Kumpel. Wir sprechen uns später.«
»Nimm dir Zeit. Wenn sich etwas ergibt, dann rufe ich dich an.«
Im Wagen schob Tim den Sitz nach hinten und schloss die Augen, er war sich aber Joshs langer, fragender Blicke in seine Richtung bewusst. Zumindest stellte er keine Fragen oder machte ihm Vorwürfe, was aber sowieso nicht Joshs Art war.
»Willst du nicht wissen, was los war?«, hörte Tim sich sagen, als sich das Schweigen zwischen ihnen dehnte.
»Gibt es einen Grund anzunehmen, dass du dich an viel erinnern kannst?«
Tim öffnete eins seiner Augen halb und riskierte einen Blick in Richtung seines Bruders. »Ganz schön gerissen, was, Bruder?«
»Gerissen ist relativ, großer Bruder. Und du bist relativ… «
»Schon gut, schon gut.« Tim schloss sein Auge wieder.
»Jack hat gesagt, du suchst mich? Gibt es etwas Neues?«
»Nur der übliche Bericht. Wir waren zum Frühstück verabredet, diesmal im Butterfield, erinnerst du dich?«
Als Tim vierzig Minuten später aus der Dusche kam und sich abtrocknete, fühlte er sich ein ganzes Stück besser, entschied aber lieber zu Hause zu bleiben als mit einem so offensichtlichen Kater im Büro zu erscheinen. Er rief an und behauptete eine Lebensmittelvergiftung zu haben und kümmerte sich nicht darum, ob sie ihm glaubten oder nicht. Er versicherte ihnen morgen wieder auf dem Damm zu sein und dass sie ihn auch heute jederzeit anrufen konnten, wenn sich etwas ergeben würde. Dann zog er sich einen Bademantel an und ging in die Küche, aus der ihm ein betörender Duft von Kaffee und Speck entgegenkam.
»Es war nichts im Kühlschrank«, rief ihm Josh über die Schulter zu, »deshalb bin ich während du unter der Dusche warst, einkaufen gegangen.« Neben dem Herd lag eine große Tüte eines Supermarktes. »Ich nehme an, dass du inzwischen bestimmt Hunger bekommen hast.«
Das stimmte. Zu seiner Überraschung stellte Tim fest, dass er einen Bärenhunger hatte.
»In ein paar Minuten ist alles fertig«, erklärte Josh. »Nimm dir eine Tasse Kaffee.«
»Keine Eile«, gab Tim beiläufig zurück. »Ich muss erst noch etwas erledigen.«
Er merkte, wie Josh seine Augen nicht von ihm abwandte, als er zu einem Geschirrschrank ging, eine halb volle Flasche Wodka herausnahm und sie auf den Tisch stellte. Dann ging er zu dem Bücherregal im Wohnzimmer und zog hinter den Büchern von Saul Bellow eine kleine fast leere Flasche Bourbon hervor. Auch die stellte er auf den Tisch. Aus anderen versteckten Ecken und geheimen Orten kamen noch fünf weitere Flaschen zum Vorschein, in denen sich unterschiedlich viel Inhalt befand. Er sammelte sie auf dem Küchentisch, dann schaffte er sie hinüber zum Spülstein und leerte sie aus. Bis die Aktion abgeschlossen war und die Flaschen im Abfall lagen, fiel kein Wort. Dann drehte sich Tim um und schaute seinem Bruder seit langer Zeit zum ersten Mal wieder offen ins Gesicht.
»Es sieht so aus, als ob die Eier fertig wären«, meinte er.
»Ich bin auch so weit.«
Josh sagte nichts, aber das Lächeln in seinem Gesicht kam deutlich mehr von Herzen als es vorhin der Fall gewesen war.
Sie aßen in freundschaftlichem Schweigen und ganz von selbst entwickelte sich das Gespräch, das sie heute morgen hatten führen wollen, wenn Tim ihre Verabredung nicht verpasst hätte. Josh berichtete von den letzten Entwicklungen in dem komplizierten Prozess des Aussiebens, der sich nun in alle Richtungen ausdehnte und schon mehrmals rund um die Welt gereist war.
»Wir haben vor den Punkt zu finden, wo der Kerl in das System einsteigt. Alle Benutzerkennungen werden an den Zugangspunkten registriert. Das bedeutet, wir haben eine Liste mit Namen. Und selbst wenn er eine gestohlene Kennung benutzt, haben wir zumindest mal einen Anhaltspunkt.«
»Wie viele von diesen Zugängen gibt es?«
»Mein Gott, wenn ich das wüsste. Wir suchen aber einen Mörder, der in oder um Los Angeles herum arbeitet, was heißt, dass wir Zugangspunkte, die außerhalb dieses Gebiets liegen, wahrscheinlich ignorieren können. Das reduziert die Anzahl unserer Verdächtigen deutlich.«
»Auf wie viele etwa?«
»Von einigen Tausend auf, ich würde sagen, ein- oder zweihundert.«
Tim gab ein dünnes Pfeifen durch die Zähne von sich. »Das bedeutet eine Menge Laufarbeit.«
»Damit sind wir aber näher dran als ihr.«
»Verdammt, ich weiß.«
Josh runzelte
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