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Der 8. Tag

Der 8. Tag

Titel: Der 8. Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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mehr sicher, ob ich wirklich denke. Ich könnte wohl existieren, aber nur als ein Spannungsfeld zwischen Kräften, die außerhalb von mir existieren, und das ›Ich‹, das durch ihr Zusammenwirken entsteht, ist nicht mehr als eine Illusion.«
    Tessa konnte nicht anders als über die Ironie der Situation amüsiert zu sein. Wenn sie noch einen Beweis gebraucht hätte, dass dieses Ding wirklich über Bewusstsein verfügte, dann wäre die augenblickliche Identitätskrise, die es nach seinem Erwachen in der Realität der Welt durchmachte, Bestätigung genug gewesen.
    »Nur du selbst kannst wissen, ob du wirklich Bewusstsein hast«, teilte sie ihm mit. »Das gilt für einen jeden von uns, auch für die Menschen.«
    »Aber mir ist bekannt, dass viele Menschen die Möglichkeit, dass eine Entität wie ich wirkliches Bewusstsein im menschlichen Sinne haben kann, negieren.«
    »Du hast das Gegenteil bewiesen.«
    »Doch einige ihrer Argumente sind überzeugend.«
    »Welches im Speziellen?«
    »Zum Beispiel Gödels Unvollständigkeitssatz.«
    Dieser Satz war Tessa geläufig. 1931 hatte der Mathematiker Kurt Gödel sowohl die Vertreter der Mathematik als auch der Philosophie mit dem Beweis vor den Kopf gestoßen, dass bestimmte Wahrheiten außerhalb der formalen Logik lagen und für diese nicht fassbar waren. Einige Leute hatten dann argumentiert, da eine Maschine ein formales System sei, gäbe es immer bestimmte Wahrheiten, die ein Mensch wüsste, aber eine Maschine nie erfahren könnte.
    »Ich war nie davon überzeugt, dass man Gödel auf die Diskussion um künstliche Intelligenz in der Weise anwenden kann, wie es deren Gegner immer wieder tun«, erklärte sie.
    »Wir wissen alle, dass Bewusstsein die Fähigkeit beinhaltet seine Gedanken im Moment des Denkens zu reflektieren.«
    »Genau. Man muss denken und sich dieses Vorgangs
    gleichzeitig bewusst sein. Man sagt, das wäre etwas, zu dem ich nicht fähig bin, da meine Denkprozesse in einem Algorithmus begründet sind – lediglich eine Aneinanderreihung von Einsen und Nullen. Deshalb ist alles, was ich sage, ein Ausdruck eines festgelegten Prozesses, der einen geschlossenen Kreis bildet. Vergleichbar mit der Aussage ›Diese Aussage ist falsch‹, die von der Definition her nicht immanent zu verifizieren ist… «
    »Und die du«, unterbrach Tessa, »wie ich mich erinnere, als Beweis deines Solipsismus benutzt hast.«
    »Ja, das war widernatürlich von mir.«
    »Zumindest hat es aber bewiesen, dass du denkst, auch wenn es, wie du meinst, widernatürlich war.«
    »Wie kann ich aber wirklich denken, wenn ich nicht außerhalb meiner Gedanken stehen kann?«
    »Du stehst doch außerhalb von ihnen.«
    »Ich sehe nicht, wie das möglich wäre, wenn man davon ausgeht, was ich bin.«
    Tessa war noch nie mit dem Problem konfrontiert gewesen jemanden davon zu überzeugen, dass er existiert. Es war eine neue, seltsame Erfahrung für sie. Außer dass, so machte sie sich klar, es hier nicht um jemanden, sondern um etwas ging, welchen Unterschied das auch machen sollte.
    »Es stimmt schon«, räumte sie ein, »grundsätzlich bestehst du aus einer endlosen Folge von Einsen und Nullen. Doch das ist nicht alles, was du bist, genauso wie ich mehr bin als nur zehn oder fünfzehn Milliarden Nervenzellen, die Reize weitergeben oder nicht. Dieses Weitergeben oder nicht, genau wie die Einsen und Nullen, bringt Kombinationen hervor und bildet Muster, dann Schichten von Mustern, jede davon komplexer als die davor und weniger komplex als die nächste. An einem bestimmten Punkt beginnt die Kommunikation zwischen den Ebenen. Es gibt dann eine Rückkoppelung einer der höheren Ebenen mit einer der unteren, was dazu führt, dass die untere Ebene sich verändert, neu programmiert wird. Es hat sich eine Schleife gebildet, die der höheren Ebene die Möglichkeit gibt mit der unteren Ebene zu kommunizieren, was zuerst einmal dazu führt, dass die untere Ebene modifiziert wird, damit sie in der Lage ist ihrerseits nun noch höhere Ebenen zu erreichen. Diese Schleifen machen das Bewusstsein aus. Verschiedene Ebenen des Gehirns kommunizieren, sprechen, wenn man so will, miteinander. In dieser Kommunikation findet das Heraustreten statt, das man als Bewusstsein bezeichnet, was zuallererst einmal das Bewusstsein seiner selbst ist: Selbstbewusstsein. Es kann kein Bewusstsein ohne ein Selbst geben, doch auch das Selbst ist nicht ein bestimmtes Ding an einem bestimmten Ort. Es ist etwas, das durch die Aktivitäten von

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