Der 8. Tag
verpflichtet gefühlt hätte, bevor er zum eigentlichen Grund seines Besuches gekommen wäre.
»Ich hoffe, dass Sie mir nicht übel nehmen werden, was ich jetzt sage, Dr. Lambert. Ich will Sie nicht in die Enge treiben und ich mache Ihnen keine Vorwürfe, denn ich bin sicher, dass Sie gute Gründe für das haben, was Sie tun. Unglücklicherweise habe auch ich gute Gründe für das, was ich tue oder versuche zu tun.«
Während er sich räusperte, schaute Tessa ihn unsicher an.
»Was ich damit sagen will«, fuhr er fort und augenscheinlich war es ihm unangenehm ihnen beiden diese Situation zumuten zu müssen, »ist, dass ich Grund zu der Annahme habe, dass Sie gar nicht versucht haben die Erlaubnis mir zu helfen zu erhalten.«
Das Schuldgefühl weitete ihre Augen und sie wandte sich ab. Er hob die Hand, als wollte er den Protest, den er erwartete, abwehren.
»Wenn der Eindruck entsteht, dass ich Ihnen nachspioniere, dann tut es mir Leid. Das hatte ich nicht im Sinn gehabt. Es ist nur so, dass ich während meines Aufenthalts hier mit den entsprechenden Dienststellen in Verbindung stehe… «
Sie schnitt ihm das Wort ab. »Sie müssen sich nicht entschuldigen, Mr. Kelly. Es ist absolut richtig, ich habe nicht angerufen, obwohl ich es gesagt habe. Es tut mir Leid. Ich weiß nicht, was ich sagen soll… « Sie wandte sich ihm wieder zu. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll, außer dass ich helfen will und es auch tun werde. Ich weiß, dass der Zeitfaktor für Sie wichtig ist. Für mich im Moment aber auch. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Tut mir Leid.«
Er musterte sie genau und versuchte in ihrem Gesicht zu lesen. Es war ganz offensichtlich, dass sie nicht log. Sie war auch nicht das, was er einen ›Bieger‹ nannte. Diesen Begriff fand man in keinem Lehrbuch, er hatte ihn selbst eingeführt, für Leute, denen es an Realitätssinn fehlte, Personen, die dahin tendierten, die Wahrheit als das anzusehen, was sie gerne hätten, und nicht als eine objektive Realität, an der es nichts zu deuteln gab. Manchmal glaubte er selbst ein Bieger zu sein. Er war sicher kein Lügner, aber er war sich nicht sicher, ob er die Dinge immer so sah, wie sie waren. Manchmal war er ein Pessimist, dann wieder ein Optimist; und bei anderen Gelegenheiten, wenn er sich über nichts mehr sicher war, dann verkroch er sich einfach in sich selbst.
»Wie ich schon sagte«, meinte er sanft, »ich bin sicher, dass Sie Ihre Gründe haben. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich Ihre Hilfe brauche und alles daransetzen werde, sie zu bekommen.«
Sie beobachtete, wie seine Hand den Umschlag öffnete, und sah weiter mit eigenartiger Faszination zu, wie er einige Hochglanzfotos herauszog. Einige waren Farbfotos, andere schwarzweiß. Selbst von der anderen Seite des Raumes aus, wo sie stand, wusste sie sofort, was für Fotos das waren. Sie hatte es vermutet, noch bevor sie die Bilder gesehen hatte.
Seine Augen waren auf die ihren geheftet und er sah das kurze panische Aufflackern, bevor sie sich abwandte. »Bitte nicht, das ist nicht nötig.«
»Ich hatte gehofft, dass es so wäre.«
Er zögerte einen Moment, dann steckte er die Fotos zurück in den Umschlag. Er hatte getan, was nötig war, und hatte den Blick in ihren Augen bemerkt. Er wusste, dass er sie damit in der Hand hatte. »Warum sagen Sie mir nicht einfach, woran es wirklich hängt?«, fragte er mit immer noch sanfter Stimme ohne sie zu bedrängen. »Vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
Sie schüttelte den Kopf ohne ihn anzusehen. In der Bewegung, mit der sie die Schultern sinken ließ, lag Niedergeschlagenheit, fast schon etwas Unterwürfiges, so als ob sie plötzlich völlige Hoffnungslosigkeit übermannt hätte.
»Hören Sie«, begann sie, »ich will Ihnen helfen, doch in Wahrheit kann ich es wahrscheinlich nicht und Sie haben den ganzen Weg umsonst gemacht.«
»Ich bitte Sie nur es zu versuchen.«
»Ich weiß und das werde ich auch.«
»Wann?«
»Schon bald.«
Er sagte einen Moment lang nichts, dann meinte er: »Ich wünschte, ich wüsste, was hier vorgeht.«
Sie drehte sich wieder zu ihm hin. In ihrem Gesicht stand ein leichtes Lächeln, so als ob sie trotz allem etwas lustig finden würde. »Nein, Mr. Kelly, das wollen Sie nicht.«
»Wäre es unerträglich für Sie mich Tim zu nennen.«
»In Ordnung, Tim.«
»Und ich hoffe, es klingt nicht zu aufdringlich, wenn ich Sie Tessa nenne. Das liegt nicht in meinem Sinn, ich will einfach nur mit Ihnen reden.«
»Ich weiß.«
»Also,
Weitere Kostenlose Bücher