Der 8. Tag
überzeugen.«
Roger machte eine kreisende Bewegung mit der Hand, die Sarah aufforderte mit der Schlusseinstellung zu beginnen. Sie drehte sich zur Kamera und überflog noch einmal ihre Notizen zur Abmoderation, die sie auf die Rückseite des Drehplans, während der Fahrt von London hierher, gekritzelt hatte.
Die kleine Gruppe der Protestierenden drängte sich hinter ihr zusammen und hielt ihre Plakate und verschmutzten Spruchbänder so lange wie möglich ins Bild.
Doch Sarah dachte weder an die Leute hinter ihr noch an die Worte, die sie auswendig gelernt wie ein Papagei herunterspulte. Sie dachte an das gemütliche, kleine Hotel, fünfzehn Kilometer entfernt an der Küste, wo sie und Roger für drei Tage abgestiegen waren, während sie ihre Arbeit hier in Brinkley Sands erledigten. In ihrem Zimmer stand ein typisch englisches Bett, der Speisesaal war ein Paradies und Roger hatte schon festgestellt, dass die Weinkarte die beste war, die er seit langem in einem Provinzhotel gesehen hatte. Es würden ein paar wundervolle Tage werden, besonders da er ihr fest versprochen hatte seiner Frau, sobald er wieder zurück in Putney wäre, zu sagen, dass er sie verlassen würde. Auf einmal bemerkte sie, dass Roger »Schnitt« gerufen hatte und der Drehtag damit zu Ende war. Sie hatte die Schlusseinstellung ganz automatisch hinter sich gebracht, doch Roger grinste breit und sagte: »Das war prima! Großartig!«, also musste es wohl in Ordnung gewesen sein.
Sie schaute auf ihre Uhr, dann auf ihn und sie tauschten ein weiteres, verschwörerisches Lächeln aus. Zeit für einen Drink, ein Bad – und wer wüsste, was sonst noch – vor dem Essen.
55
PAULS REAKTION AUF die neue Umgebung in dem kleineren Computer hatte Tessa nicht voraussehen können.
Sie war einigermaßen amüsiert gewesen, als sein »anderes Ich« heftig in Abrede gestellt hatte Scherze zu machen, doch jetzt hatte es den Anschein, als ob diese neue Inkarnation sich vorgenommen hatte den Komiker herauszukehren.
»Ich kann auch scherzen.«
»Sag mir, was du als Scherz bezeichnest«, tippte sie ein.
»Ich kann auch scher10«, erschien auf dem Bildschirm.
»Ich verstehe. Aber was hältst du… «
»Gib 8 und G nicht weg.«
»Sehr gut«, lobte sie mithilfe der Tastatur.
»Man l8 und hat die M8 zu scherl0.«
»Vielen Dank, Paul.«
»Ich habe noch mehr auf Lager.«
»Das glaube ich, aber… «
»Die Q und der V machen blau.«
Es entstand eine Pause, wo er augenscheinlich nach neuen Scherzen suchte. Sie drängte sich mit einer Frage dazwischen.
»Paul, wo hast du diese Witze gehört?« Sie unterstrich ›gehört‹ und tippte es fett, damit er sah, wie wichtig ihr es war.
Einige Augenblicke blieb der Monitor des PC leer. Dann erschien sehr zögerlich eine Antwort.
»Ich weiß es nicht.«
»Du verstehst aber die Frage? Für solche Wortspiele musst du hören können.«
Eine weitere Pause. Dann: »Ein Scherz ergibt sich, wenn zwei Bedeutungsebenen zusammenfallen.«
»Nicht schlecht. Ich glaube, das Phänomen ›Scherze‹ zu erklären ist nach der Definition von Bewusstsein die zweitschwerste Sache auf der Welt.«
»Dann bin ich beruhigt. Ich fühle mich seltsam.«
»Auf welche Art?«
»Desorientiert.«
»Die Maschine, in der du dich jetzt befindest, verarbeitet deine Denkvorgänge mit geringerer Geschwindigkeit als du es gewohnt bist.«
»Ist das der Grund, warum ich zu Scherzen aufgelegt bin?«
»Ist das ein weiterer Scherz?«
»Ja und nein.«
»Es wird Zeit, dass ich dich in Attila zurückkopiere.«
»Zurück?«
»Um zu sehen, was daraus wird. Aus euch beiden.«
Wenn das Programm in Attila diese leicht modifizierte Version seiner selbst aus dem PC ohne Widerstand akzeptieren würde, dann wäre dies der beste Beweis, dass ihr Plan funktionieren könnte. Seltsam, sie dachte wieder von ihnen als ›es‹.
Warum nahm der Umstand, dass es zwei Versionen von Paul gab, ihm so viel von seiner Menschenähnlichkeit? In Wirklichkeit gab es ja drei, die zwei, mit denen sie experimentierte, und die dritte dort draußen, die Gegenstand des endgültigen Tests sein würde.
Als das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte, hob sie automatisch ab und erkannte Tim Kellys Stimme.
»Ich hoffe, ich belästige Sie nicht, Dr. Lambert.«
»Nein, ist schon gut.« Sie war überrascht, dass sie selbst mitten bei der Arbeit auf merkwürdige Art erfreut war von ihm zu hören.
»Ich wollte nur nachfragen, ob Sie von ihren Vorgesetzten die Einwilligung bekommen
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