Der 8. Tag
worum er sie gebeten hatte. Sie war nie gl ü cklicher gewesen .
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F AST ZWEI STUNDEN nach der Abflugzeit ihrer Maschine war Tessa mit ihrem Gep ä ck in einem der anonymen H o tels, die sich in der Einflugschneise des Flughafens dr ä n g ten. Zwei sehr nette Polizisten hatten darauf bestanden, sie im Streifenwagen dorthin zu bringen. An der Rezeption hatte sie gebeten die Abflugzeit der n ä chsten Maschine nach London zu erfragen. Ihr wurde gesagt, es w ä re 7.10 Uhr morgens. Sie bat darum, ihr einen Platz zu reservi e ren, und man versprach anzurufen, sobald dies geschehen sei. Als sie in ihrem Zimmer war, schaute sie auf ihre Uhr und ü berlegte, ob sie hungrig genug war um sich etwas aufs Zimmer kommen zu lassen. Sie w ä hlte die Nummer und lie ß es klingeln, doch niemand me l dete sich. Als sie den H ö rer auflegte, dachte sie, wenn die abgewirtschaftete Einrichtung aus den Siebzigerjahren etwas zu sagen hatte, dann h ä tte sie keine Lust irgendetwas zu essen, was hier in der K ü che zubereitet wurde. Sie beschloss ein Bad zu nehmen und sich zu entspannen, doch zuerst stellte sie den Fernseher an und schaltete durch die Kan ä le, bis sie auf CNN stie ß . Es liefen gerade Werbespots, doch sie lie ß den Apparat an, w ä hrend sie ihren Laptop anschloss, das Telefonmodul einst ö pselte und eine Nummer w ä hlte um ihre E-Mail abzur u fen.
Es war nichts Wichtiges dabei und w ä hrend sie noch damit besch ä ftigt war, alles oberfl ä chlich durchzusehen, wurde sie auf den Fernseher im Hintergrund aufmerksam. Es war ein ausf ü hrlicher Bericht ü ber einen Flugzeugabsturz.
Am Anfang widmete sie dem wenig Aufmerksamkeit, doch langsam realisierte sie das Ziel des Fluges und die Flugnu m mer. Sie fuhr herum und schaute auf den Bildschirm. Im Licht der Scheinwerfer von Rettungsmannschaften und Kamer a teams waren Umrisse zu erkennen. Es gab Aufnahmen eines aufgeplatzten Koffers, dessen banaler Inhalt bedeutungstr ä c h tig im Gras verstreut war. Ein urzeitliches Etwas, dass wie eine dunkle Macht aus dem Boden wuchs, entpuppte sich im Licht eines Handscheinwerfers als Rest eines Triebwerks.
Die Bilder brachen ab und wurden durch den Blick in ein Studio ersetzt, in dem ein Nachrichtensprecher die Nummer von Tessas Flug nach London wiederholte, der mit einer a n fliegenden Maschine kollidiert war, die von Paris gekommen war. Mehr als dreihundert Menschen waren gestorben. Die Wrackteile waren auf offenes Gel ä nde gest ü rzt, sonst h ä tte es noch mehr Opfer gegeben. Bis jetzt gab es keine offizielle E r kl ä rung f ü r das Ungl ü ck, doch die Spekulationen deuteten zwangsl ä ufig auf die Anflugkontrolle hin und besonders auf die Frage, ob es menschliches Versagen oder ein Computerfe h ler war.
Auf dem Bildschirm erschien eine Notfalltelefonnummer f ü r Leute, die glaubten, dass Freunde oder Verwandte in einer der beiden Maschinen gewesen sein k ö nnten. Tessa wusste sofort, dass sie auf die bohrende Frage in ihrem Kopf eine Antwort haben musste. Sie nahm den H ö rer ab und w ä hlte die Nummer.
Ü berraschend schnell meldete sich eine m ä nnliche Stimme. Der Mann sprach nur Deutsch, reichte sie aber schnell an eine Frau weiter, die abgesehen von einem leichten Akzent perfekt Englisch sprach. » Kann ich Ihnen helfen? «
» Ich bef ü rchte « , begann Tessa mit zitternder Stimme, » dass eine Freundin von mir in der Maschine nach London war. Ihr Name ist Lambert. Tessa Lambert. «
» W ü rden Sie mir bitte sagen, wie Ihr Name und Ihre Verbindung zu dem Passagier ist? «
Tessa ü berlegte fieberhaft. Sie h ä tte sich denken k ö nnen, dass man nicht jedem Auskunft gab. Sie wollten einen Namen und eine Adresse haben, einen Nachweis echten Interesses, etwas f ü r ihre Unterlagen. » Ich bin Helen Temple « , erkl ä rte sie. Es war das Erste, was ihr durch den Kopf ging. » Dr. Helen Temple. Miss Lambert ist meine Patientin. « Dann nannte sie Helens Adresse und Telefonnummer in Oxford.
» Einen Moment bitte, Frau Dr. Temple. «
In der Pause, die entstand, konnte Tessa das Klicken einer Computertastatur h ö ren sowie das leise Murmeln von Sti m men, die andere Anrufe beantworteten.
» Dr. Temple? «
» Ja? «
» Wir haben Dr. Lambert auf unserer Liste. Dr. T. Lambert. «
» Ja, das ist sie. « In diesem Moment ging Tessa durch den Kopf, dass es eigentlich ziemlich bl ö dsinnig war, akademische Abschl ü sse in zwei so unterschiedlichen Fachrichtungen beide Male mit dem Titel
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