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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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Trinken; wie uns nun der erste Brand geriet, hatten wir keine Ursach mehr, uns über einzigen Mangel zu beklagen, denn ob uns wohl das Brot abging, hatten wir jedoch hingegen dürre Fisch vollauf, die wir für Brot brauchten. Mit der Zeit ging uns der Vorteil mit dem Salz auch an, also daß wir endlich gar nichts zu klagen hatten, sondern wie die Leut in der ersten güldenen Zeit lebeten; da lernten wir nach und nach, wie wir aus Eiern, dürren Fischen und Zitronenschalen, welche beiden letzteren Stück wir zwischen zweien Steinen zu zartem Mehl rieben, in Vogelschmalz, so wir von den Walchen, so genannten Vögeln, bekamen, anstatt des Brots wohlgeschmackte Kuchen backen sollten; so wußte mein Kamerad den Palmwein gar artlich in große Hafen zu gewinnen und denselben ein paar Tage stehen zu lassen bis er vergoren, hernach soff er sich so voll darin, daß er torkelte, und solches tat er auf die Letzte gleichsam alle Tage, Gott geb was ich dawider redete; denn er sagte, wenn man ihn über die Zeit stehen ließe, so würde er zu Essig, welches zwar nit ohn ist; antwortet ich ihm dann, er sollte auf einmal nit so viel, sondern die bloße Notdurft gewinnen, so sagte er hingegen, es sei Sünd, wenn man die Gaben Gottes verachte; man müsse den Palmen beizeiten zu Ader lassen, damit sie nit in ihrem eignen Blut erstickten; also mußte ich seinen Begierden den Zaum lassen, wollte ich anderst nit mehr hören, ich gönnete ihm nit, was wir die Völle umsonst hätten.
    Also lebten wir, wie obgemeldet, als die ersten Menschen in der güldenen Zeit, da der gütige Himmel denselbigen ohne einzige Arbeit alles Guts aus der Erden hervorwachsen lassen; gleichwie aber in dieser Welt kein Leben so süß und glückselig ist, das nit bisweilen mit Gall des Leidens verbittert werde, also geschah uns auch; denn um wie viel sich täglich unser Küch und Keller besserte, um so viel wurden unsere Kleidungen von Tag zu Tag je länger je blöder, bis sie uns endlich gar an den Leibern verfaulten; das beste für uns war dieses, daß wir bishero noch niemal keinen Winter, ja nicht die geringste Kälte inneworden, wiewohl wir damal, als wir anfingen nackend zu werden, meinen Kerbhölzern nach bereits über anderthalbe Jahr auf dieser Insel zugebracht, sondern es war jederzeit Wetter wie es bei den Europäern im Mai und Junio zu sein pflegt, außer daß es ungefähr im Augusto und etwas Zeit zuvor gewaltig stark zu regnen und zu wittern pflegt', so wird auch allhier von einem Solstitio zum andern Tag und Nacht nicht wohl über fünf Viertelstund länger oder kürzer als das andermal. Wiewohl wir nun allein uns auf der Insel befanden, so wollten wir doch nicht wie das unvernünftige Vieh nackend, sondern als ehrliche Christen aus Europa bekleidet gehen; hätten wir nun vierfüßige Tier gehabt, so wäre uns schon geholfen gewesen, ihre Bälg zu Kleidung anzuwenden; in Mangel derselbigen aber zogen wir dem großen Geflügel, als den Walchen und Pinguins die Häut ab und machten uns Niederkleider draus, weil wir sie aber aus Mangel beides der Instrumente und zugehörigen Materialien nicht recht auf die Daur bereiten konnten, wurden sie hart, unbequem und zerstoben uns vom Leib hinweg, ehe wir uns dessen versehen; die Kokosbäume trugen uns zwar Baumwoll genug, wir konnten sie aber weder weben noch spinnen, aber mein Kamerad, welcher etliche Jahr in Indien gewesen, wies mir an den Blättern vorne an den Spitzen ein Ding wie ein scharfer Dorn, wenn man selbiges abbricht und am Grat des Blatts hinzeucht, gleichsam wie man mit den Bohnenschelfen, Phaseoli genannt, umgehet; wenn man selbige von ihren Gräten reinigt, so verbleibt an demselbigen spitzigen Dorn ein Faden hangen, so lang als der Grat oder das Blatt ist, also daß man dasselbige anstatt Nadel und Faden brauchen kann; solches gab mir Ursach und Gelegenheit an die Hand, daß ich uns aus denselben Blättern Niederkleider machte, und solche mit obgemeldten Faden ihres eignen Gewächs zusammenstach.
    Indem wir nun so miteinander hausten und unser Sach so weit gebracht, daß wir keine Ursach mehr hatten, uns über einzige Arbeitseligkeit, Abgang, Mangel oder Trübsal zu beschwern, zechte mein Kamerad im Palmwein immerhin täglich fort, wie ers angefangen und nunmehr gewohnt hatte, bis er endlich Lung und Leber entzündete und ehe ich michs recht versah, mich, die Insel und den Vin de Palme durch einen frühzeitigen Tod zugleich quittierte; ich begrub ihn so gut als ich konnte, und indem ich des

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