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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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ist, das ist vom Übel.« Dieses alles, und was ich sah und hörete, erwog ich, und schloß festiglich, daß diese Balger keine Christen seien, suchte derowegen eine andere Gesellschaft.
    Zum aller-erschrecklichsten kam mirs vor, wenn ich etliche Großsprecher sich ihrer Bosheit, Sünd, Schand und Laster rühmen hörete, denn ich vernahm zu unterschiedlichen Zeiten, und zwar täglich, daß sie sagten: »Potz Blut, wie haben wir gestern gesoffen! Ich hab mich in einem Tag wohl dreimal voll gesogen, und ebenso vielmal gekotzt. Potz Stern, wie haben wir die Bauren, die Schelmen, tribuliert. Potz Strahl, wie haben wir Beuten gemacht. Potz hundert Gift, wie haben wir ein Spaß mit den Weibern und Mägden gehabt.« Item: »Ich hab ihn daniedergehauen, als wenn ihn der Hagel hätte niedergeschlagen. Ich hab ihn geschossen, daß er das Weiß über sich kehrte. Ich hab ihn so artlich über den Dölpel geworfen, daß ihn der Teufel hätte holen mögen. Ich hab ihm den Stein gestoßen, daß er den Hals hätt brechen mögen.« Solche und dergleichen unchristliche Reden erfüllten mir alle Tag die Ohren, und überdas, so hörte und sah ich auch in Gottes Namen sündigen, welches wohl zu erbarmen ist; von den Kriegern wurde es am meisten praktiziert, wenn sie nämlich sagten: »Wir wollen in Gottes Namen auf Partei, Plündern, Mitnehmen, Totschießen, Niedermachen, Angreifen, Gefangennehmen, in Brand stecken«, und was ihrer schrecklichen Arbeiten und Verrichtungen mehr sein mögen. Also wagens auch die Wucherer mit dem Verkauf in Gottes Namen, damit sie ihrem teuflischen Geiz nach schinden und schaben mögen. Ich habe zween Mausköpf sehen henken, die wollten einsmals bei Nacht stehlen, und als sie die Leiter angestellt, und der eine in Gottes Namen einsteigen wollte, warf ihn der wachtsame Hausvater ins Teufels Namen wieder herunter, davon er ein Bein zerbrach, und also gefangen und über etliche Tag hernach samt seinem Kamerad aufgeknüpfet ward. Wenn ich nun so etwas höret, sah und beredet, und wie meine Gewohnheit war mit der H. Schrift hervorwischte, oder sonst treuherzig abmahnete, so hielten mich die Leut für einen Narren, ja ich wurde meiner guten Meinung halber so oft ausgelacht, daß ich endlich auch unwillig wurde und mir vorsetzte gar zu schweigen, welches ich doch aus christlicher Liebe nicht halten konnte. Ich wünschte, daß jedermann bei meinem Einsiedel auferzogen worden wäre, der Meinung, es würde alsdann auch männiglich der Welt Wesen mit Simplicii Augen ansehen, wie ichs damals beschauet'. Ich war nicht so witzig, wenn lauter Simplici in der Welt wären, daß man alsdann auch nicht so viel Laster sehen werde. Indessen ists doch gewiß, daß ein Weltmensch, welcher aller Untugenden und Torheiten gewohnt und selbsten mitmacht, im wenigsten nicht empfinden kann, auf was für einer bösen Straßen er mit seinen Gefährten wandelt.

Das 26. Kapitel
    Ein sonderbarer neuer Brauch, einander Glück zu wünschen und zu bewillkommen
    Als ich nun vermeinte, ich hätte Ursach zu zweifeln, ob ich unter Christen wäre oder nicht? ging ich zu dem Pfarrer, und erzählte alles, was ich gehöret und gesehen, auch was ich für Gedanken hatte, nämlich daß ich die Leut nur für Spötter Christi und seines Worts und für keine Christen hielte, mit Bitt, er wollte mir doch aus dem Traum helfen, damit ich wisse, wofür ich meine Nebenmenschen halten sollte. Der Pfarrer antwortet': »Freilich sind sie Christen, und wollt ich dir nicht raten, daß du sie anders nennen solltest.« »Mein Gott!« sagte ich, »wie kanns sein? denn wenn ich einem oder dem andern seinen Fehler, den er wider Gott begehet, verweise, so werde ich verspottet und ausgelacht.« »Dessen verwundere dich nicht«, antwortet' der Pfarrer, »ich glaube, wenn unsere ersten frommen Christen, die zu Christi Zeiten gelebt, ja die Apostel selbst, anjetzo auferstehen und in die Welt kommen sollten, daß sie mit dir ein gleiche Frag tun, und endlich auch so wohl als du von jedermänniglich für Narren gehalten würden; das, was du bisher siehest und hörest, ist ein gemeine Sach, und nur Kinderspiel gegen dasjenige, das sonsten so heimlich als öffentlich und mit Gewalt wider Gott und die Menschen vorgehet und in der Welt verübet wird, aber laß dich das nicht ärgern, du wirst wenig Christen finden, wie Herr Samuel sel. einer gewesen ist.«
    Indem als wir so miteinander redeten, führet' man etliche, so vom Gegenteil gefangen worden waren, übern Platz, welches

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