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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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Salz zum Salat anfrischen. Ich sah so starr darein, als wenn ich mich darüber verwunderte, aber der Umstand vermahnete mich mitzumachen. »Jawohl«, sagten sie, wie sie mich so kaltsinnig sahen, »es ist nichts Neues, wenn Kälber Fleisch, Fisch, Käs, Butter und anders fressen: Was? sie saufen auch zu Zeiten ein guten Rausch! die Bestien wissen nunmehr wohl, was gut ist; ja«, sagten sie ferner, »es ist heutigen Tags soweit kommen, daß sich nunmehr ein geringer Unterscheid zwischen ihnen und den Menschen befindet, wolltest du denn allein nicht mitmachen?«
    Dieses ließ ich mich um so viel desto ehender überreden, weil mich hungerte, und nicht darum, daß ich hiebevor schon selbst gesehen, wie teils Menschen säuischer als Schwein, grimmiger als Löwen, geiler als Böck, neidiger als Hund, unbändiger als Pferd, gröber als Esel, versoffener als Rinder, listiger als Füchs, gefräßiger als Wölf, närrischer als Affen, und giftiger als Schlangen und Kröten waren, welche dennoch allesamt menschlicher Nahrung genossen und nur durch die Gestalt von den Tieren unterschieden waren, zumalen auch die Unschuld eines Kalbs bei weitem nicht hatten. Ich fütterte mit meinen Mitkälbern, wie solches mein Appetit erforderte, und wenn ein Fremder uns ohnversehens also beieinander zu Tisch hätte sitzen sehen, so hätte er sich ohne Zweifel eingebildet, die alte Circe wäre wieder auferstanden, aus Menschen Tier' zu machen, welche Kunst damals mein Herr konnte und praktizierte. Eben auf den Schlag, wie ich die Mittagsmahlzeit vollbrachte, also wurde ich auch auf den Nachimbiß traktiert; und gleichwie meine Mitesser oder Schmarotzer mit mir zehrten, damit ich auch zehren sollte, also mußten sie auch mit mir zu Bett, wenn mein Herr anders nicht zugeben wollte, daß ich im Kühestall über Nacht schlief; und das tat ich darum, damit ich diejenigen auch genug narrete, die mich zum Narren zu haben vermeinten: Und machte diesen festen Schluß, daß der grundgütige Gott einem jeden Menschen in seinem Stand zu welchem er ihn berufen, so viel Witz gebe und verleihe, als er zu seiner Selbsterhaltung vonnöten, auch daß sich dannenhero, Doktor hin oder Doktor her, viel vergeblich einbilden, sie seien allein witzig und Hans in allen Gassen, denn hinter den Bergen wohnen auch Leut.

Das 8. Kapitel
    Redet von Etlicher wunderbarlichem Gedächtnis, und von Anderer Vergessenheit
    Am Morgen als ich erwachte, waren meine beiden verkälberten Schlafgesellen schon fort, derowegen stund ich auch auf, und schlich, als der Adjutant die Schlüssel holete, die Stadt zu öffnen, aus dem Haus zu meinem Pfarrer, demselben erzählte ich alles, wie mirs sowohl im Himmel als in der Höll ergangen. Und wie er sah, daß ich mir ein Gewissen machte, weil ich so viel Leut und sonderlich meinen Herrn betröge, wenn ich mich närrisch stellete, sagte er: »Hierum darfst du dich nicht bekümmern, die närrische Welt will betrogen sein, hat man dir deinen Witz noch übrig gelassen, so gebrauche dich desselben zu deinem Vorteil, bilde dir ein, als ob du gleich dem Phönix vom Unverstand zum Verstand durchs Feuer und also zu einem neuen menschlichen Leben auch neu geboren worden seiest: Doch wisse dabei, daß du noch nicht über den Graben, sondern mit Gefahr deiner Vernunft in diese Narrenkappe geschloffen bist, die Zeiten sind so wunderlich, daß niemand wissen kann, ob du ohne Verlust deines Lebens wieder herauskommest, man kann geschwind in die Hölle rennen, aber wieder herauszuentrinnen wirds Schnaufens und Bartwischens brauchen, du bist bei weitern noch nicht so gemannet, deiner bevorstehenden Gefahr zu entgehen, wie du dir wohl einbilden möchtest, darum wird dir mehr Vorsichtigkeit und Verstand vonnöten sein, als zu der Zeit, da du noch nicht wußtest, was Verstand oder Unverstand war, bleibe demütig und erwarte in Geduld der künftigen Veränderung.«
    Sein Diskurs war vorsetzlich so variabel, denn ich bilde mir ein, er habe mir an der Stirn gelesen, daß ich mich groß zu sein bedünkte, weil ich mit so meisterlichem Betrug und feiner Kunst durchgeschloffen; und ich mutmaßete hingegen aus seinem Angesicht, daß er unwillig und meiner überdrüssig worden, denn seine Mienen gabens, und was hatte er von mir? Derowegen verändert ich auch meine Reden, und wußte ihm großen Dank für die herrlichen Mittel, die er mir zu Erhaltung meines Verstands mitgeteilt hatte, ja ich tat unmögliche Promessen, alles, wie meine Schuldigkeit erfordere, wieder

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