Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
wurde auch bald von denjenigen gehört, die dazu bestellt waren; maßen zween Soldaten vor den Gänsstall kamen und fragten, wer darinnen wäre? Ich antwortet: »Ihr Narren, hört ihr denn nicht, daß ein Kalb da ist!« Sie machten den Stall auf, nahmen mich heraus und verwunderten sich, daß ein Kalb sollte reden können! Welches ihnen anstund wie die gezwungenen Aktionen eines neugeworbenen ungeschickten Komödianten, der die Person, die er vertreten soll, nicht wohl agieren kann, also daß ich oft meinte, ich müßte ihnen selbst zum Possen helfen. Sie beratschlagten sich, was sie mit mir machen wollten, und wurden eins, mich dem Gubernator zu verehren, als welcher ihnen, weil ich reden könnte, mehr schenken würde, als ihnen der Metzger für mich bezahlte. Sie fragten mich, wie mein Handel stünde? Ich antwortet: »Liederlich genug.« Sie fragten: »Warum?« Ich sagte: »Darum, dieweil hier der Brauch ist, redliche Kälber in Gänsstall zu sperren. Ihr Kerl müßt wissen, dafern man will, daß ein rechtschaffener Ochs aus mir werden soll, daß man mich auch aufziehen muß, wie einem ehrlichen Stier zustehet.« Nach solchem kurzen Diskurs führeten sie mich über die Gaß gegen des Gouverneurs Quartier zu, uns folgte eine große Schar Buben nach, und weil dieselbe ebensowohl als ich das Kälbergeschrei schrien, hätte ein Blinder aus dem Gehör urteilen mögen, man triebe ein Herd Kälber daher, aber dem Gesicht nach sah es einem Haufen so junger als alter Narren gleich.
Also wurde ich von den beiden Soldaten dem Gouverneur präsentiert, gleichsam als ob sie mich erst auf Partei erbeutet hätten, dieselben beschenkte er mit einem Trinkgeld, mir selbst aber versprach er die beste Sach, so ich bei ihm haben sollte. Ich gedachte wie des Goldschmieds Jung und sagte: »Wohl Herr, man muß mich aber in keinen Gänsstall sperren, denn wir Kälber können solches nicht erdulden, wenn wir anders wachsen und zu einem Stück Hauptvieh werden sollen.« Der Gouverneur vertröstete mich eines Bessern, und dünkte sich gar gescheit sein, daß er einen solchen visierlichen Narren aus mir gemacht hätte; hingegen gedacht ich: »Harre mein lieber Herr, ich hab die Prob des Feuers überstanden und bin darin gehärtet worden; jetzt wollen wir probieren, welcher den andern am besten agieren wird können.« Indem trieb ein gedehnter Baur sein Vieh zur Tränke, sobald ich das sah, verließ ich den Gouverneur und eilete mit einem Kälbergeplärr den Kühen zu, gleichsam als ob ich an ihnen saugen wollte, diese, als ich zu ihnen kam, entsetzten sich ärger vor mir als vor einem Wolf, wiewohl ich ihrer Art Haar trug, ja sie wurden so schellig und zerstoben dermaßen voneinander, als wenn im Augusto ein Nest voll Hornissen unter sie gelassen worden wäre; also daß sie ihr Herr an selbigem Ort nicht mehr zusammenbringen konnte, welches ein artlichen Spaß abgab. In einem Hui war ein Haufen Volk beieinander, das der Gaukelfuhr zusah, und als mein Herr lachte, daß er hätte zerbersten mögen, sagte er endlich: »Ein Narr macht ihrer hundert.« Ich aber gedachte: »Und eben du bist derjenige, dem du jetzt wahrsagest.«
Gleichwie mich nun jedermann von selbiger Zeit an das Kalb nennete, also nennete ich hingegen auch einen jeden mit einem besonders spöttischen Nachnamen, dieselben fielen mehrenteils der Leut und sonderlich meines Herrn Bedünken nach gar sinnreich, denn ich taufte jedweden nachdem seine Qualitäten erforderten. Summariter davon zu reden, so schätzte mich männiglich für einen ohnweisen Toren, und ich hielt jeglichen für einen gescheiten Narrn. Dieser Gebrauch ist meines Erachtens in der Welt noch üblich, maßen ein jeder mit seinem Witz zufrieden, und sich einbildet, er sei der Gescheiteste unter allen.
Obige Kurzweil, die ich mit des Bauren Rindern anstellete, machte uns den kurzen Vormittag noch kürzer, denn es war damals eben um die winterliche Sonnenwende: Bei der Mittagsmahlzeit wartete ich auf wie zuvor, brachte aber benebens seltsame Sachen auf die Bahn, und als ich essen sollte, konnte niemand einzige menschliche Speis oder Trank in mich bringen, ich wollte kurzum nur Gras haben, so damals zu bekommen ohnmöglich war. Mein Herr ließ ein paar frische Kalbfell von den Metzgern holen und solche zweien kleinen Knaben über die Köpf streifen: Diese setzte er zu mir an den Tisch, traktierte uns in der ersten Tracht mit Wintersalat und hieß uns wacker zuhauen, auch ließ er ein lebendig Kalb hinbringen und mit
Weitere Kostenlose Bücher