Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
Vom Netzwerk:
zuvor wohl?« »Herr«, antwortet ich, »das haben mich damals andere Leut gelehret und mich überredet, es sei ein Gebet, das man bei der Meß sprechen müsse, wenn unser Kaplan den Gottesdienst verrichte.« »Ja, ja«, sagte der Regimentsschultheiß, »ich sehe dich für den Rechten an, dem man die Zung mit der Folter lösen muß.« Ich gedachte: »So helf Gott! wenns deinem närrischen Kopf nach gehet.«
    Am andern Morgen früh kam Befehl vom Generalauditor an unsern Profosen, daß er mich wohl in acht nehmen sollte, denn er war gesinnt, sobald die Armeen still lägen, mich selbst zu examinieren, auf welchen Fall ich ohne Zweifel an die Folter gemußt hätte, wenn es Gott nicht anders gefügt. In dieser Gefangenschaft dachte ich stetigs an meinen Pfarrer zu Hanau und den verstorbenen alten Herzbruder, weil sie beide wahr gesagt, wie mirs ergehen würde, wenn ich wieder aus meinem Narrnkleid käme.

Das 27. Kapitel
    Wie es dem Profosen in der Schlacht bei Wittstock ergangen
    Denselben Abend, als wir uns kaum gelagert hatten, wurde ich zum Generalauditor geführt, der hatte meine Aussag samt einem Schreibzeug vor sich und fing an mich besser zu examinieren; ich hingegen erzählte meine Händel, wie sie an sich selbst waren, es wurde mir aber nicht geglaubt und konnte der Generalauditor nicht wissen, ob er einen Narrn oder ausgestochenen Böswicht vor sich hatte, weil Frag und Antwort so artlich fiel und der Handel an sich selbst seltsam war; er hieß mich eine Feder nehmen und schreiben, zu sehen was ich könnte, und ob etwa meine Handschrift bekannt oder doch so beschaffen wäre, daß man etwas daraus abnehmen möchte? Ich ergriff Feder und Papier so geschicklich, als einer der sich täglich damit übte, und fragte, was ich schreiben sollte? Der Generalauditor (welcher vielleicht unwillig war, weil sich mein Examen tief in die Nacht hinein verzog) antwortet': »Hei schreib: deine Mutter die Hur!« Ich setzte ihm diese Wort dahin, und da sie gelesen wurden, machten sie meinen Handel nur desto schlimmer, denn der Generalauditor sagte, jetzt glaube er erst, daß ich ein rechter Vogel sei; er fragte den Profosen, ob man mich visitiert und ob man nichts von Schriften bei mir funden hätte? Der Profos antwortet': »Nein, was sollt man an ihm visitiern, weil ihn der Rumormeister gleichsam nackend zu uns gebracht.« Aber ach! das half nichts, der Profos mußte mich in Gegenwart ihrer aller besuchen, und indem er solches mit Fleiß verrichtet, findet er, o Unglück! meine beiden Eselsohren mit den Dukaten, um meine Arm herumgebracht. Da hieß es: »Was dürfen wir ferner Zeugnis? Dieser Verräter hat ohne Zweifel ein groß Schelmstück zu verrichten auf sich genommen, denn warum sollte sich sonst ein Gescheiter in ein Narrnkleid stecken? oder ein Mannsbild in ein Weiberkleid verstellen? warum vermeint man wohl, zu was End er sonst mit einem so ansehenlichen Stück Geld versehen sei, als etwas Großes zu verrichten? Sagt er nicht selbst, er habe bei dem Gubernator zu Hanau, dem allerverschlagensten Soldaten in der Welt, lernen auf der Lauten schlagen? Was vermeint ihr Herren wohl, was er sonst bei denselben Spitzköpfen für listige Praktiken ins Werk zu setzen begriffen habe? Der nächste Weg ist, daß man morgen mit ihm auf die Folter, und wie ers verdient haben wird, dem Feur zueile, maßen er sich ohnedas bei den Zauberern befunden und nichts Bessers wert ist.« Wie mir damals zumut gewesen, kann sich jeder leicht einbilden, ich wußte mich zwar unschuldig und hatte ein starkes Vertrauen zu Gott; aber dennoch sah ich meine Gefahr und bejammerte den Verlust meiner schönen Dukaten, welche der Generalauditor zu sich steckte.
    Aber ehe man diesen strengen Prozeß mit mir ins Werk setzte, gerieten die Banierischen den Unserigen in die Haar, gleich anfänglich kämpften die Armeen um den Vorteil und gleich darauf um das schwere Geschütz, dessen die Unserigen stracks verlustigt wurden: Unser Profos hielt zwar ziemlich weit mit seinen Leuten und den Gefangenen hinter der Battalia, gleichwohl aber waren wir unser Brigade so nahe, daß wir jeden von hinterwärts an den Kleidern erkennen konnten; und als eine schwedische Eskadron auf die unserige traf, waren wir sowohl als die Fechtenden selbst in Todsgefahr, denn in einem Augenblick flog die Luft so häufig voller singender Kugeln über uns her, daß es das Ansehen hatte, als ob die Salve uns zu Gefallen gegeben worden wäre, davon duckten sich die Furchtsamen, als ob sie sich

Weitere Kostenlose Bücher