Der Abgrund Kommissar Morry
etwas hätte jeder aufmerksame Betrachter an Alec Grangas Rock sofort gesehen: Den etwa wie ein Dollarstück großen, rötlichen Fleck am linken Ärmel seines grauen Anzuges. —
Wie konnte es geschehen, daß ein Mann wie Alec Grangas, der bisher peinlich auf die Sauberkeit seiner Garderobe geachtet hatte, in dieser Aufmachung vor dem ehemaligen Mixer des Belvaria-Hotels sitzen konnte?
Was war mit diesem Mann geschehen?
Gewiß! — Das stundenlange Suchen nach Leester Brighward hier in den Slums von London, den Slums mit all den schmutzigen Winkeln und Gassen, mit den zum größten Teil unsauberen und heruntergekommenen Kaschemmen und Spelunken, hatte dazu beigetragen, daß der graue Einreiher Alec Grangas einiges abbekam. Aber was hatte dieser rötliche Fleck an seinem Rock für eine Bewandtnis? Was war das? Blut? Das Blut des im Schauhaus des Headquarter liegenden John Gutwells?
War es das?
Noch wußte der über die Handlungsweise Alec Grangas leicht ärgerlich gewordene Leester Brighward nicht, was er auf den Vorschlag seines Gegenübers erwidern sollte, als Alec Grangas nun sagte:
„All devils, Brighward! — Wir kennen uns doch lange genug! Wenn Sie mitmachen, kann bei der Sache nichts schiefgehen. Sie kennen sich hier in dieser Gegend aus. Ich dagegen glaube zu wissen, wie man mit gewissen Leuten der Hautevolee umzugehen, hat. Also, schlagen Sie ein..."
Nur zögernd nahm Leester Brighward die ihm hingereichte Hand. Er besiegelte mit seinem Händedruck ein Abkommen, von dem er beim besten Willen noch nicht wußte, wie es ausgehen werde.
„Also, meinetwegen! — Es ist ja nicht mein Kopf, den ich hinhalten muß, wenn es schiefgeht“, knurrte der ehemalige Mixer, von dem Vorschlag Alec Grangas immer noch nicht ganz erbaut. Als er den festen Händedruck seines neuen Freundes spürte, wischte er alle bisherigen Bedenken fort. Er änderte auch sofort sein bisheriges Benehmen.
„All right, Mister Grangas! — Wenn ich mir die Angelegenheit jetzt richtig überlege, glaube ich auch, daß wir es schaffen werden. Allerdings müssen wir äußerst vorsichtig zu Werke gehen. Wenn erst die in Frage kommenden Leute auf uns aufmerksam werden, dann kann die Luft verdammt schnell bleihaltig werden. Sie müssen mir deshalb in die Hand versprechen, daß Sie allein niemals einen Streifzug hier unten in der Hafengegend unternehmen. Wenn ich nicht da bin, müssen Sie sich eben hier in dieser Bude die Zeit vertreiben..."
„Okay, Brighward!" Alec Grangas war einverstanden.
Noch über eine Stunde unterhielten sich die beiden Männer in der armseligen Bude am Recreation-Ground.
Einzelheiten ihres geplanten Unternehmens wurden besprochen. Immer wieder unterließ es der in diesen Dingen erfahrenere Leester Brighward nicht, Alec Grangas auf die Gefahren aufmerksam zu machen, in die sie sich nun begaben.
Doch der Gewarnte winkte nur lächelnd ab und meinte sarkastisch:
„Brighward! — Es bleibt mir ja nichts anderes übrig. Ich habe keine Lust, zu warten, bis man mich wieder in Haft nimmt. Ich habe daher vorerst die Brücken zu meinem bisherigen Leben abgebrochen. Ich muß jetzt sehen, wie ich das neue Leben meistern werde. Aber ich denke, mit Ihrer Hilfe wird es mir leichter fallen."
„Na schön! — Dann wollen wir gleich damit anfangen. Fahren wir erst einmal nach Kingsland und halten dort Augen und Ohren auf. Vielleicht ist uns das Glück hold, vielleicht können wir erfahren, wie dort die allgemeine Stimmung ist."
Sofort erhob sich Alec Grangas und wollte den Raum verlassen.
Brighward hielt ihn aber zurück. Seine Hand wies auf Alec Grangas Kleidung.
„Fellow!" meinte er scherzend.
„So können Sie nicht mitgehen. In diesem grauen Einreiher wirken Sie an meiner Seite zu auffällig."
Seine Stimme nahm unvermittelt einen ernsten Klang an, als er erklärend fortfuhr:
„Wir werden nämlich nach unserem Besuch in Kingsland höchstwahrscheinlich einige meiner lieben alten Freunde hier in der Hafengegend aufsuchen müssen. Sie haben allerhand Beziehungen und können uns vielleicht einiges Wissenswertes erzählen. Aber wenn Sie dort dann so elegant wie jetzt mit mir aufkreuzen, könnten einige etwas in die falsche Kehle bekommen. Eis ist darum schon besser, wenn Sie sich entschließen, in Zukunft etwas weniger sorgfältig gekleidet zu gehen."
Alec Grangas Blicke wanderten über den Anzug. Seine Augen zogen sich plötzlich zusammen, als er den roten Fleck auf dem Ärmel erblickte.
„Nun, wie ist es?" wurde er
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