Der Abgrund
Schwierigkeit ist, und schon hat man die Lizenz zum Gelddrucken.«
»Ein kriminelles Nirvana«, setzte Bates trocken hinzu. »Das Zeug ist eins der stärksten und am häufigsten verschriebenen Schmerzmittel, die derzeit auf dem Markt erhältlich sind. Es blockiert die Schmerzimpulse der Nerven und vermittelt einem ein euphorisches Gefühl. Normalerweise wirkt es zwölf Stunden lang, aber wenn man die Retardtabletten zerkleinert oder raucht, bekommt man einen Kick, der ähnlich intensiv wie bei Heroin sein soll. Außerdem kann ein solcher Missbrauch zu Atemstillstand führen, was relativ häufig auftritt.«
»Hübsche Nebenwirkung. Wollen Sie mir damit sagen, Sie haben keine Ahnung, wer Coves Insider-Informant gewesen sein könnte?«
Bates klopfte auf die Akte, die vor ihm lag. »Wir haben ein paar Vermutungen. Was ich jetzt sage, ist völlig inoffiziell.«
»Zurzeit gebe ich mich auch mit Gerüchten und Lügen zufrieden.«
»Da Cove ziemlich tief in die Organisation eingedrungen ist, vermuten wir, dass sein Informant ziemlich weit oben sitzt. Er war an Westbrook dran, als er zufällig auf die Oxy-Sache stieß. Aber ich gehe davon aus, dass die Person, die ihm geholfen hat, Westbrooks Ring zu infiltrieren, ihn auch auf diese neue Entwicklung aufmerksam gemacht hat. Antoine Peebles ist Westbrooks oberster Finanzverwalter. Er führt ein ziemlich strenges Regime, und er ist der Hauptgrund, warum wir Westbrook bislang noch nichts anhaben konnten. Das sind Westbrook und Peebles.« Er schob zwei Fotos herüber.
Web sah sie sich an. Westbrook war ein Riese. Er war sogar noch größer als Cove. Er wirkte, als hätte er einen Krieg mitgemacht. Selbst auf dem zweidimensionalen Papier starrten seine Augen mit einer Intensität, wie sie für Überlebende typisch war. Peebles dagegen machte einen völlig anderen Eindruck.
»Westbrook ist ein Schlachtross. Peebles sieht aus, als hätte er gerade seinen Abschluss in Stanford gemacht.«
»Richtig. Er ist recht jung, und wir vermuten, Peebles vertritt den neuen Typ von Drogenunternehmern, nicht so gewalttätig, sondern mehr aufs Geschäft konzentriert - und verdammt ehrgeizig. In der Szene geht das Gerücht, dass jemand versucht, alle lokalen Großhändler unter einem Dach zu vereinigen, um den Handel zu rationalisieren und günstigere Bedingungen vereinbaren zu können. Ein Geschäft im großen Stil.«
»Klingt so, als könnte Antoine danach streben, nicht nur oberster Finanzverwalter, sondern oberster Chef zu werden.«
»Vielleicht. Westbrook dagegen ist auf der Straße groß geworden. Ihm kann keiner mehr etwas vormachen, aber wir haben gehört, dass er möglicherweise versucht, aus dem Drogengeschäft auszusteigen und sich zur Ruhe zu setzen.«
»Peebles dürfte andere Ziele verfolgen, wenn er derjenige ist, der hinter der Neuorganisation der lokalen Drogenszene steckt. Aber wenn er wertvolle Informationen an Cove weitergibt, verhält er sich nicht so, wie man es von einem Thronerben erwarten würde. Wenn er das Geschäft kaputtmacht, hätte er nichts mehr, was er übernehmen könnte.«
»Das ist allerdings ein Problem«, schloss Bates.
»Wer gehört sonst noch dazu?«
»Westbrooks Muskelmann. Clyde Macy.«
Bates reichte ihm ein Foto von Macy. Vorsichtig ausgedrückt machte der Mann den Eindruck, als gehörte er in eine Todeszelle. Macy war so weiß, dass er beinahe anämisch aussah: ein Skinhead mit ruhigen und gleichzeitig gnadenlosen Augen, die Web automatisch an die schlimmsten Serienkiller denken ließ, mit denen er im Laufe seiner Karriere zu tun gehabt hatte.
»Wenn Jesus diesem Kerl begegnet wäre, hätte er sofort die Polizei zu Hilfe gerufen.«
»Anscheinend arbeitet Westbrook nur mit Profis«, bemerkte Bates.
»Wie passt Macy zu den schwarzen Brüdern? Er sieht eher aus wie ein Neonazi.«
»Dieser Eindruck täuscht. Anscheinend mag er nur keine Haare. Wir wissen nicht genau, was er gemacht hat, bevor er nach Washington kam. Wir konnten es ihm nie nachweisen, aber wir vermuten, dass er Fußsoldat für verschiedene Drogenbosse war, die inzwischen auf Staatskosten in Joliet untergebracht sind. Danach schloss er sich Westbrooks Truppe an. Er hat sich auf der Straße einen guten Ruf als loyaler und extrem gewalttätiger Mitarbeiter erworben. Ein Geistesgestörter, aber
auf seine Art ein Profi.«
»Also genau die richtige Qualifikation für einen Kriminellen.«
»Seine erste große Tat bestand darin, den Kopf seiner Großmutter mit einem Hackbeil zu
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