Der Abgrund
erntete er von Gwen großes Lob.
Sie kamen an einem alten Gebäude aus Stein und Holz vorbei, bei dem es sich, wie Gwen erklärte, um ein altes Hospital aus Bürgerkriegszeiten handelte, das sie vielleicht zu einem Museum umbauen wollten. »Wir haben es renoviert, eine Zentralheizung und Klimaanlage eingebaut, es hat eine Küche und ein Schlafzimmer, sodass der Kurator dort wohnen könnte«, erzählte Gwen. »Es gibt da auch einen Operationstisch und chirurgische Instrumente aus dieser Zeit.«
»Nach allem, was ich weiß, hätte sich ein Soldat im Bürgerkrieg lieber eine Kugel in den Kopf geschossen, als ins Hospital zu gehen.«
Sie ritten an einer zweihundert Jahre alten Scheune vorbei, die auf einem so steilen Hang errichtet worden war, dass sie zwei
Eingänge auf verschiedenen Höhen hatte. Dort gab es auch einen Reitplatz, wo Pferd und Reiter das Dressurreiten übten. Dann kamen sie zu einem großen Holzturm mit Steinfundament. Gwen erzählte ihm, dass man von hier aus nach Waldbränden Ausschau gehalten, aber auch die Pferderennen beobachtet hatte, die früher hier auf dem Gelände abgehalten worden waren.
Web betrachtete den Turm und das Land darum herum. Als ehemaliger Scharfschütze, der ständig nach der besten Stelle suchte, kam er zum Schluss, dass der Turm eindeutig ein guter Beobachtungsposten war. Doch es fehlte ihm am Personal, um ihn richtig zu nutzen.
Sie kamen auch an einem zweistöckigen Gebäude mit Veranda vorbei, das Gwen als das Haus des Farmverwalters benannte.
»Dieser Nemo Strait scheint gute Arbeit für Sie zu leisten.«
»Er ist erfahren und weiß, was er tut, und er hat eine komplette handverlesene Crew mitgebracht, und das war ein Plus«, sagte Gwen mit, wie Web bei sich dachte, geringem Interesse.
Sie überprüften mögliche Zugangswege auf der Rückseite des Geländes, und Web prägte sie sich ein. Einmal trat ein Hirsch aus dem Wald, und Opie und Tuff jagten ihm hinterher. Beide Pferde reagierten nicht auf diesen Lärm, doch Web war so erschrocken, als der Hirsch an ihm vorbeirannte, dass er fast aus dem Sattel gefallen wäre.
Danach führte sie ihn zu einem schmalen Tal, dem Bäume Schatten spendeten. Web hörte, dass in der Nähe Wasser floss, und war auf nichts vorbereitet, als sie durch eine schmale Kurve ritten und er plötzlich ein kleines, offenes Gebäude sah, weiß gestrichen und mit einem Schindeldach aus Zedernholz, das wie ein Aussichtstürmchen aussah, bis Web das Kreuz auf dem Dach und den kleinen Altar darin mit einer Kniebank und einem Kruzifix ausmachte.
Er sah zu Gwen, wartete auf eine Erklärung. Sie betrachtete den kleinen Tempel wie in Trance und sah dann zu ihm hinüber.
»Das ist meine Kapelle. Ich bin katholisch, wissen Sie. Mein Vater war Katechet, und zwei meiner Onkel sind Priester. Die Religion hat eine große Bedeutung in meinem Leben.«
»Dann haben Sie das erbauen lassen?«
»Ja, für meinen Sohn. Ich komme fast jeden Tag hier hinaus und bete für ihn, ob es regnet oder schneit. Darf ich Sie etwas fragen?«
»Bitte.«
»Glauben Sie an Gott?«
»Auf meine eigene Art und Weise wohl schon«, antwortete Web ausweichend.
»Ich war früher sehr gläubig, viel mehr, als ich es heute bin. Ich habe um eine Erklärung gebetet, warum einem so unschuldigen Menschen so etwas zustoßen konnte. Ich habe aber nie eine Antwort bekommen.«
Sie stieg ab, ging in die Kapelle, bekreuzigte sich, holte einen Rosenkranz aus ihrer Tasche und fing an zu beten, während Web sie stumm beobachtete.
Nach ein paar Minuten stand sie auf und ging zu ihm zurück.
Sie ritten weiter und gelangten schließlich zu einem großen Gebäude, das eindeutig seit geraumer Zeit leer stand.
»Das alte Affenhaus«, sagte Gwen. »Sennick hat es erbauen lassen und hielt dort alle möglichen Schimpansen, Paviane und sogar Gorillas. Ich weiß nicht, warum. Man erzählt sich, wenn mal wieder ein paar Tiere aus ihren Käfigen ausgebrochen waren, haben die Leute sie mit Schrotgewehren durch die Wälder gejagt. Aus diesem Grund nannten sie den Wald in dieser Gegend hier den Affendschungel. Bei der Vorstellung, dass diese armen Tiere von einer Horde besoffener Trottel abgeknallt wurden, wird mir übel.«
Sie stiegen ab und schauten hinein. Licht fiel durch das Dach; die Zeit und der Wind hatten große Löcher hineingerissen. Einige der verrosteten Käfige standen noch an den Wänden, und davor verliefen schmale Gräben, die wahrscheinlich den Kot der Tiere und andere Abfälle auffangen
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