Der Abgrund
erwischt, und ich verbrachte drei Monate in einem Gefangenenlager. Die verdammten Vietkong machten da ziemlich widerliche Sachen, kramten in deinem Gedächtnis rum, um dich zum Verräter zu machen.«
»Das wusste ich gar nicht von Ihnen, Strait«, sagte Billy.
»Nun, das schreib ich auch nicht in meinen Lebenslauf.« Er lachte. »Aber ich bin schließlich entkommen, und ein Seelenklempner der Army half mir, mich wieder zurechtzufinden. Das, eine Menge Fusel und noch andere Sachen, die ich nicht erwähnen kann«, fügte er grinsend hinzu. »Bin entlassen worden, kam in die Staaten zurück und arbeitete zunächst als Wächter in einer Jugendstrafanstalt. Also, das kann ich Ihnen sagen, einige der Kids, die ich bewachte, ließen die Vietkong wie Weicheier aussehen. Dann habe ich geheiratet, aber meine Ex mochte meinen Verdienst von sechs Dollar die Stunde nicht. Also suchte ich mir für eine Weile einen Schreibtischjob, aber das war nicht mein Ding. Wie ich schon sagte, ich bin im Freien aufgewachsen, war mein ganzes Leben mit Pferden zusammen. Es liegt einem im Blut.« Er sah Billy an. »Das sollte es auch, denn auf dem Bankkonto liegt es nicht.«
Alle lachten über diesen Witz, ausgenommen Gwen. Sie schien eher genervt darüber zu sein, dass der Viehtreiber überhaupt in ihrem Haus war, dachte Web, der sie genau beobachtete.
»Wie dem auch sei«, fuhr Strait fort, »ich ging zurück zu den Pferden, und meine Frau verließ mich mit den Kindern.«
»Sehen Sie sie oft?«, fragte Web.
»Früher mal, jetzt nicht mehr.« Er grinste. »Auch wenn mein Sohn in die Fußstapfen seines alten Herrn treten und entweder zum Militär gehen oder sogar mit Pferden arbeiten möchte.« Er klopfte sich auf den Schenkel. »Verdammt, wissen Sie was?«
»Was denn?«, fragte Romano.
»Er hat rausgefunden, dass er allergisch gegen die Viecher ist. Das Leben ist wirklich manchmal seltsam.«
Web hatte nicht den Eindruck, Strait würde das Leben überhaupt für sonderlich belustigend halten. Er hatte Strait anfangs als einen Mann abgestempelt, der einfach nur tat, was man ihm sagte. Das würde er noch einmal überdenken müssen.
»Dann lernte ich Billy kennen, und nun helfe ich ihm« - er warf Gwen einen Blick zu - »und Mrs Canfield, hier ihr kleines Reich zu errichten.«
Billy prostete ihm zu. »Und Sie leisten verdammt gute Arbeit, Strait.«
Web bemerkte, dass Gwen in diesem Moment wegschaute, und trotz der Lobeshymnen schien auch Billy gar nicht so begeistert von seinem Vorarbeiter zu sein. Web entschloss sich, der Konversation einen anderen Lauf zu geben.
»Die unteren Geschosse sind normalerweise kalt«, sagte Web zu Billy. »Besonders bei all diesem Stein. Und doch kommt es mir hier unten wärmer vor als oben.«
»Wir haben hier die beste Heizung der Welt«, antwortete Billy, der an der Bar arbeitete, als sei er dafür geboren. »Strahlungsdampf. Gwen hat Sie doch herumgeführt? Diese drei Weil-McLain-Kessel, die Sie gesehen haben, erhitzen das
Wasser und wandeln es in Dampf um. Durch Rohre fließt der Dampf in die schmiedeeisernen Heizkörper, die in jedem Raum des Hauses stehen. Der Dampf kühlt wieder ab und wird zu Wasser, durchläuft wieder das System und wird erneut verdampft. Und man bekommt nicht nur Wärme, sondern hat auch einen eingebauten Befeuchter.« Er reichte Web sein Bier. »Ein Großteil der Dampfrohre verläuft unter diesem Boden, deswegen ist es hier so angenehm warm. Um diese Jahreszeit kann es am Tag knapp dreißig Grad warm werden, aber nachts kühlt es bis auf fünf Grad ab. Doch dank unserer Dampfkessel kann Gwen ärmellos hier herunterkommen und fühlt sich immer noch wohl. Hab ich Recht, Schatz?«
»Eigentlich war mir heute den ganzen Tag über heiß.«
Web strich mit der Hand über die Bar. »Nette Einrichtung mit diesem Ding hier.«
»Stammt aus dem Jahr 1910«, sagte Billy. »Der Besitzer hat damals viel Arbeit hineingesteckt. Das musste allerdings auch sein. Leider mussten wir noch viel mehr reinstecken, als wir es kauften. Mein Lebensinhalt.« Auf einem Serviertablett trug er die Drinks herüber und verteilte sie. Sie setzten sich.
»Gwen erzählte mir, Sie hätten ein paar viel versprechende Einjährige?«
»Ja, vielleicht ist sogar ein Triple-Crown-Gewinner dabei«, sagte Billy. »Also, das wäre nett. Würde mindestens einen Monat lang die Rechnungen für die verdammte Ranch bezahlen.«
Bei diesem Kommentar tauschten Gwen und Web ein Lächeln aus.
»Wir können immer nur hoffen. Aber
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