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Der Abgrund

Titel: Der Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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Abteilungen des FBI behandelt. Sie blätterte einige der Akten durch. Wie bei Debbie Riner hatte er eine Unmenge von Hypnosesitzungen abgehalten.
    Claires Gedanken rasten. Hypnose war schon eine seltsame  Sache. In den seltensten Fällen konnte man sie benutzen, um jemanden dazu zu bringen, etwas zu tun, was er normalerweise nicht tun würde. Man konnte aber auch die Kontrolle über eine Person erlangen, sie sich entspannen und Vertrauen aufbauen lassen und ihr dann Informationen darüber entlocken, was diese Person als Agent gerade tat - oder, falls es sich um den Ehepartner des Agenten handelte, was der Ehemann oder die Ehefrau tat. Claire stellte sich vor, wie O'Bannon einer hypnotisierten und hilflosen oder vielleicht deprimierten Debby Riner alle Details entlockte, die sie über die Arbeit ihres Mannes kannte. Darunter auch, welches Zielobjekt das HRT demnächst besuchen würde und wann, falls Teddy Riner seiner Frau davon erzählt hatte. Und das taten einige Männer, obwohl es ihnen offiziell verboten war. Claire wusste, dass in vielen Ehen solche Vorschriften einfach übergangen wurden, und sei es nur, um den häuslichen Frieden zu wahren. Es genügte aber auch schon ein simpler Versprecher eines HRT-Agenten, den eine hypnotisierte Ehefrau dann unwissend weitergab.
    All das wäre eine Kleinigkeit für einen so erfahrenen Mann wie Ed O'Bannon. Und wie sie es bei Web getan hatte, konnte O'Bannon jedes Mal einen posthypnotischen Befehl erteilen, der jede verdächtige Erinnerung an die Zeit unter Hypnose einfach aus dem Gedächtnis löschte - und sogar die Tatsache, dass die Person überhaupt hypnotisiert worden war. Mein Gott, dachte Claire, Debbie Riner könnte nichts ahnend zum Tod ihres Mannes beigetragen haben.
    Und darüber hinaus zeichneten die Abhörgeräte sämtliche vertraulichen Informationen der Patienten auf, die hierher gekommen waren. Wertvolle Information, die später benutzt werden konnten, um sie zu erpressen oder andere in eine Falle zu locken, wie es mit Webs Team geschehen war. Webs Äußerungen hatte sie entnommen, dass beim FBI in letzter Zeit so einiges schief lief. Wenn Claire mit ihrer Vermutung Recht hatte, konnte O'Bannon für viele dieser Probleme verantwortlich  sein.
    Als Claire den Aktenschrank betrachtete, fiel ihr Blick auf etwas, das nicht vorhanden war. Unter L gab es zahlreiche Akten von Leuten, deren Nachnahmen mit diesem Buchstaben anfingen. Aber da gab es auch eine große und völlig leere Hängeakte. Claire fragte sich, ob es sich um Webs handelte. Die Akte, die O'Bannon ihr gegeben hatte, war allerdings nicht annähernd so dick wie der Freiraum im Aktenschrank vor ihr, es sei denn, er hatte ihr nicht die gesamten Unterlagen gegeben. Hatte O'Bannon ihr einen Teil der Akte vorenthalten? Er war ein äußerst selbstsicherer, ja sogar arroganter Mann, das wusste sie. Seiner Meinung nach war niemand klüger oder erfahrener als er. Es war durchaus möglich, dass er ihr Informationen vorenthielt, um sie im Ungewissen zu lassen. Vielleicht gab es neben seiner beruflichen Eitelkeit einen noch viel wichtigeren Grund, Web als Patienten zu behalten.
    Sofort schickte sie sich an, das Büro zu durchsuchen. Sie arbeitete sich durch den Schreibtisch und alle anderen möglichen Verstecke, in denen der Rest der Akte verborgen sein könnte, fand jedoch nichts. Dann sah sie wieder nach oben. Die Decke war abgehängt. Sie kletterte erneut auf den Stuhl, nahm die Taschenlampe und drückte eine der Deckenplatten nach oben. Wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte, konnte sie in den Zwischenraum blicken. Als sie den Lichtkegel umherwandern lies, sah sie sofort die kleine Kiste, die auf dem Metallgerüst stand, das die Decke trug.
    Sie schob den Stuhl dorthin und holte die Kiste herunter. Sie enthielt, wie Claire es inzwischen fast nicht anders erwartet hatte, den Rest von Webs Akte. Und als Claire sich setzte, um sie durchzublättern, erwies sie sich als wahre Schatztruhe. Claire schüttelte fortwährend den Kopf, während jede neue Seite ihr verblüffende Erkenntnisse lieferte.
    Ordnung ist das halbe Leben, hatte O'Bannon immer zu ihr gesagt. Früher hatten sie gemeinsam darüber gelacht. Doch er meinte es bitterernst. Und er führte genauestens Buch. Auch wenn seine Notizen für einen Laien rätselhaft und unentzifferbar schienen, enthüllten sie Claire, dass er Web, als dieser nach dem Tod seiner Mutter O'Bannons Patient geworden war, oft hypnotisiert hatte, öfter noch als Debbie Riner.

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