Der Abgrund
darauf warten, dass wir ihn verhaften, Web.«
»Ich rede nicht von O'Bannon.«
»Von wem denn?«
»Zuerst einmal will ich Ihnen eine Frage stellen, auf Grund derer Sie mir wahrscheinlich am liebsten eins über den Schädel geben möchten, aber ich brauche eine klare Antwort, wenn ich Ihnen helfen soll.«
»Fragen Sie schon, Web.«
»Besteht die vage Möglichkeit, dass O'Bannon mit der FBIFührung zusammengearbeitet und mit ihrem Wissen die Praxis hier verwanzt hat, damit das Management über die Probleme der Frontsoldaten orientiert ist?«
»Das ist mir auch schon durch den Kopf gegangen. Und die Antwort lautet: Nein. Denn auch einige hochrangige Leute kommen hierher, nicht nur untere Dienstränge. Und ich rede von echten Schwergewichten - und ihren Ehefrauen, übrigens -, die praktisch jeden in der Hierarchie fertig machen könnten, falls eine solche Schweinerei tatsächlich im Gange wäre.«
»Okay, dann lassen Sie uns annehmen, dass O'Bannon diese ganze Geschichte in Szene gesetzt hat. Warum? Bestimmt nicht zum Spaß. Eher aus Profitgier. Am Ende läuft es immer auf Geld hinaus. Er verkauft seine Informationen an viele verschiedene Leute, und als Ergebnis schlagen alle möglichen Polizeioperationen fehl. Und vielleicht hat irgendjemand sich Informationen von O'Bannon besorgt, um Charlie auszuradieren. Wie Sie schon sagten, er könnte Einzelheiten von einer der Frauen erfahren haben, die als Patientinnen zu ihm kamen. Wer auch immer hinter dieser Sache steckt, ich will ihn oder sie haben.«
»Nun, ich dachte, wir wüssten es längst. Die >Freien<. Und die haben wir bereits ausgeschaltet.«
»Glauben Sie das wirklich?«
»Sie etwa nicht?«
»Es scheint gut zu passen, fast zu perfekt. Wissen wir mehr darüber, was mit Claire passiert sein könnte?«
»Ja, und das ist nichts Gutes. Keine halbe Stunde, nachdem das Licht in Claires Büro erlosch, erschien O'Bannon in der Tiefgarage. Er benutzte seine Magnetkarte, um reinzukommen, und daher kennen wir sowohl seine Identität wie auch den Zeitpunkt seines Erscheinens.«
Web nickte, und sein Mut sank noch mehr. »Sie löst den Alarm aus, O'Bannon hatte wahrscheinlich ein Anzeigegerät in seinem Haus und hörte das Signal. Und sofort kommt er her.«
»Und findet Claire.«
»Ja.«
»Es tut mir Leid, Web.«
Web fuhr zurück nach East Winds, so deprimiert wie noch nie in seinem Leben. So schlimm es im Augenblick für das FBI auch aussah, es interessierte ihn nicht im mindesten. Er dachte an nichts anderes als daran, Claire lebend zu finden.
Romano reinigte gerade eine seiner Pistolen und schaute hoch, als Web die Stufen zum Kutschenhaus hochkam. »Mann, du siehst vielleicht mitgenommen aus.«
Web ließ sich ihm gegenüber nieder.
»Ich habe Mist gebaut, Paulie.«
»Verdammt, das ist nicht das erste Mal.« Romano lächelte, aber Web war offensichtlich nicht zu Scherzen aufgelegt. Romano legte die Waffe beiseite und sah seinen Freund an. »Dann rede.«
»Claire Daniels.«
»Deine Seelenklempnerin.«
»Meine Psychiaterin.« Er hielt inne und fügte dann hinzu: »Und meine Freundin. Einige Typen hatten sie bedroht, aber dann ließen sie sie laufen. Sie stehen mit meinem Fall in Verbindung; das heißt, sie geriet wegen mir in Gefahr. Sie kam zu mir und bat mich um Hilfe, und was hab ich getan? Ich hab sie allein gelassen.«
»Hast du ihr Schutz angeboten?«
»Ja, aber den wollte sie nicht. Sie hielt die Drohung nicht für echt. Und ihre Argumente klangen durchaus logisch. Jetzt stellt sich heraus, dass dieser O'Bannon, mit dem sie zusammenarbeitet, sämtliche Psychiaterbüros verwanzt und sich so während der jeweiligen Sitzungen Informationen von den Patienten verschafft hat. Viele dieser Patienten haben beim FBI gearbeitet oder standen mit FBI-Leuten in Kontakt.« Er hatte keine Ahnung, ob Romano wusste, dass Angie zu O'Bannon ging. Und falls er es nicht wusste, wollte Web nicht derjenige sein, der es ihm offenbarte. »Dann hat er wahrscheinlich die Informationen an den Meistbietenden verkauft, der dann dafür sorgte, dass Polizeiaktionen scheiterten.«
»Verdammte Scheiße! Glaubst du, dass Claire darüber Bescheid wusste?«
»Nein! Es sieht so aus, als sei sie rein zufällig über die Wahrheit gestolpert, und jetzt ist sie verschwunden.«
»Vielleicht versteckt sie sich.«
»Sie hätte auf jeden Fall angerufen.« Web ballte die Hände zu Fäusten. »Verdammt, ich bin ein kompletter Idiot, dass ich sie nicht rund um die Uhr habe beschützen lassen.
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