Der Abgrund
seines kahl geschorenen Kopfes leicht für einen Neonazi gehalten werden können.
Diese Männer bildeten den inneren Kreis von Westbrooks kleinem Imperium. Der Imperator hielt eine Neun-MillimeterPistole in der rechten Hand und schien nach irgendjemandem zu suchen, gegen den er sie einsetzen konnte. »Erzähl mir doch noch mal, wie du Kevin verloren hast!« Er blickte Peebles an und schloss den Griff noch fester um die Pistole, die er vor kurzem entsichert hatte. Peebles schien es bemerkt zu haben und zögerte nicht mit einer Antwort. »Wenn du genügend Leute abgestellt hättest, um ihn rund um die Uhr im Auge zu behalten, hätten wir ihn niemals verloren. Nachts zieht er manchmal los. Und in jener Nacht ist er losgezogen und nicht mehr zurückgekommen.«
Westbrook schlug sich klatschend auf den gewaltigen Oberschenkel. »Er war in dieser Nebenstraße. Die FBI-Leute hatten ihn, und jetzt haben sie ihn nicht mehr. Irgendwie hat er sich in die Sache eingemischt, und es ist in meinem verdammten Hinterhof passiert.« Er schlug mit der Pistole gegen die Wagentür und brüllte: »Ich will Kevin wiederhaben!«
Peebles warf ihm einen nervösen Blick zu, während Macy überhaupt keine Reaktion zeigte.
Westbrook legte eine Hand auf die Schulter des Fahrers. »Toona, du wirst ein paar Jungs zusammentrommeln und jede Ecke dieser verdammten Stadt absuchen, hast du verstanden? Ich weiß, dass ihr es schon mal getan habt, aber jetzt werdet ihr es noch mal tun. Ich will diesen Jungen gesund und unversehrt zurückhaben, hast du verstanden? Gesund und unversehrt - und komm erst zurück, wenn du es geschafft hast. Hast du mich verstanden, Toona?«
Toona warf einen Blick in den Rückspiegel. »Ja, ich habe dich verstanden.«
»Eine abgekartete Sache«, sagte Peebles. »Nur um dir die Schuld in die Schuhe zu schieben.«
»Meinst du, das wüsste ich nicht? Weil du auf dem College warst, meinst du offenbar, du wärst schlau und ich blöd! Ich weiß, dass die FBI-Leute mir wegen dieser Sache an den Arsch wollen. Ich weiß, was auf der Straße geredet wird. Irgendwer versucht, alle Gruppen zusammenzubringen, fast wie in einer Gewerkschaft, aber sie wissen, dass ich nicht mitmachen werde, und das wirft ihre Pläne über den Haufen.« Westbrooks Augen waren gerötet. In den letzten achtundvierzig Stunden hatte er kaum geschlafen. Daraus bestand sein Leben: Es war die Hauptaufgabe jedes Tages, die Nacht zu überleben. Und jetzt konnte er nur daran denken, wo sich dieser Junge herumtreiben mochte. Er stand unmittelbar vor dem Abgrund, das spürte er genau. Er hatte gewusst, dass dieser Tag irgendwann kommen würde, aber trotzdem war er nicht darauf vorbereitet gewesen.
»Wer auch immer Kevin hat, wird es mich wissen lassen. Schließlich wollen sie was von mir. Sie wollen, dass ich mich ihnen anschließe, genau das wollen sie.«
»Und wirst du ihnen geben, was sie wollen?«
»Sie können alles haben, was sie wollen. Hauptsache, ich krieg Kevin wieder.« Er verstummte und blickte aus dem Fenster, auf die Straßen und Ecken und billigen Bars, an denen sie vorbeikamen, all die Winkel, in die die Fühler seiner Drogengeschäfte reichten.
Auch in den Vorstädten, wo das große Geld war, machte er gute Geschäfte. »Ja, so ist es. Wenn ich Kevin wiederkriege, bring ich die Schweine alle um. Eigenhändig.« Er zielte mit der Pistole auf einen nicht vorhandenen Feind. »Ich werde mit den Knien anfangen und mich dann langsam hocharbeiten.«
Peebles warf Macy, der immer noch keine Reaktion zeigte, einen misstrauischen Blick zu. Es war, als wäre er aus Stein. »Nun, bislang hat niemand Kontakt zu uns aufgenommen«, sagte Peebles.
»Das wird noch kommen. Sie haben sich Kevin nicht geschnappt, um Basketball mit ihm zu spielen. Sie wollen mich. Nun, hier bin ich, sie müssen nur zur Party kommen. Ich bin für die Party bereit, es kann losgehen, verdammt noch mal.« Westbrook beruhigte sich ein wenig. »Es heißt, dass einer der Bullen im Hof nicht die Kurve gekratzt hat. Richtig?«
Peebles nickte. »Web London.«
»Es heißt, es waren Maschinengewehre. Kaliber fünfzig. Wie konnten sie einen der Bullen verfehlen?« Als Peebles mit den Schultern zuckte, wandte sich Westbrook an Macy. »Was hast du darüber gehört, Mace?«
»Im Augenblick kann niemand etwas Genaues sagen, aber wie ich gehört habe, hat sich der Kerl gar nicht in den Hinterhof getraut. Er hat Schiss bekommen, ist durchgedreht oder so was in der Art.«
»Durchgedreht oder so
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