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Der Abgrund

Titel: Der Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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schlapp.
    »Gibt es ein Foto von Kevin?«
    »Natürlich. Die Polizei hat schon eins«, sagte die Alte.
    »Haben Sie noch eins?«
    »He, wir werden Ihnen gar nichts geben!«, knurrte Jerome.
    Web beugte sich vor und ließ den Griff seiner Pistole sehen. »Doch, Jerome. Und wenn Sie Ihre negative Einstellung nicht ändern wollen, werde ich Sie in die Stadt bringen und in den Akten nachsehen, ob es noch irgendwelche offenen Haftbefehle gibt, mit denen ich Ihr großes Maul für eine Weile wegsperren kann. Es sei denn, Sie wollen behaupten, Sie hätten nie Ärger mit der Polizei gehabt.«
    Jerome wandte den Blick ab. »Scheiße«, murmelte er.
    »Sei still, Jerome«, sagte die Alte. »Halt einfach deine verdammte Klappe.«
    Na also, Oma, dachte Web.
    Sie holte eine kleine Brieftasche hervor und zog ein Foto heraus. Sie reichte es Web, und dabei zitterten ihre Finger ein wenig, und ihre Stimme versagte, doch dann hatte sie sich wieder gefangen. »Das ist mein letztes Bild von Kevin. Bitte verlieren Sie es nicht.«
    »Ich werde gut darauf aufpassen. Sie bekommen es dann zurück.«
    Web betrachtete das Foto. Es war Kevin. Zumindest der Kevin, dem Web das Leben gerettet hatte. Also war der Junge, bei dem Cortez und Romano Babysitter gespielt hatten, ein anderer gewesen. Das hatte einige Planung erfordert, aber es musste zumindest teilweise improvisiert gewesen sein. Doch zu welchem Zweck?
    »Sie sagten, Sie hätten der Polizei ein Foto von Kevin gegeben?«
    Die Alte nickte. »Er ist ein guter Junge. Er geht zur Schule, wissen Sie, fast jeden Tag. Eine Sonderschule, weil er ein ganz besonderer Junge ist«, fügte sie stolz hinzu.
    In dieser Gegend war es in der Tat eine besondere Leistung, zur Schule zu gehen. Es kam wahrscheinlich gleich nach der Meisterleistung, eine Nacht zu überleben.
    »Ich bin überzeugt, er ist ein guter Junge.« Er warf Jerome einen Blick zu, der ihn nervös anstarrte, wie ein Gauner auf der Lauer. Du warst auch einmal ein guter Junge, nicht wahr Jerome? »Waren es uniformierte Polizisten?«
    Jerome stand auf. »Was soll das? Halten Sie uns für blöd? Es waren FBI-Leute, genauso wie Sie.«
    »Setzen Sie sich, Jerome«, sagte Web.
    »Setz dich, Jerome«, sagte die Alte, und Jerome setzte sich.
    Web dachte hastig nach. Wenn das FBI ein Foto von Kevin hatte, wusste man, dass man den falschen Jungen in - wenn auch kurzem - Gewahrsam gehabt hatte. Oder? Romano hatte keine Ahnung, dass es zwei Jungen gab. Er hatte ihn einfach nur als Kind von schwarzer Hautfarbe beschrieben. Was war, wenn das der gesamte offizielle Bericht war? Wenn der falsche Kevin
    Westbrook verschwunden war, bevor Bates und die anderen auf dem Schauplatz eingetroffen waren, wussten sie nur, dass ein schwarzer Junge von etwa zehn Jahren vermisst wurde. Sie kamen zu dieser Adresse, sprachen mit der Familie, ließen sich ein Foto geben und setzten ihre Ermittlungen wie gehabt fort. Sie würden niemals auf die Idee kommen, Romano und Cortez zu fragen, ob sie den Jungen auf dem Foto wiedererkannten, da sie keinen Anhaltspunkt hatten, dass der Junge vielleicht ausgetauscht worden war. Und Ken McCarthy hatte gesagt, dass die Scharfschützen den echten Kevin nicht aus der Nähe gesehen hatten, als das Charlie-Team an ihm vorbeigekommen war. Vielleicht war Web der Einzige, der von diesem Betrug wusste.
    Web sah sich um, und aus Rücksicht auf die Großmutter - oder in welcher verwandtschaftlichen Beziehung sie auch immer zu Kevin stehen mochte - versuchte er, seinen Abscheu nicht zu deutlich werden zu lassen. »Hat Kevin wirklich hier gewohnt?« Bates hatte gesagt, Kevin würde in miserablen Verhältnissen leben und wäre vermutlich so selten wie möglich zu Hause. Das würde zumindest erklären, warum er nachts allein unterwegs war, statt hier in seinem Bett zu liegen. Im Haus sah es wirklich schlimm aus, aber wahrscheinlich nicht schlimmer als in den meisten Häusern dieses Stadtviertels. Überall herrschten Armut, Verbrechen und Verfall. Doch die Alte machte den Eindruck eines unerschütterlichen Felsens in der Brandung; ihr schien wirklich etwas an Kevin zu liegen. Warum sollte der Junge sich vor ihr drücken?
    Die Großmutter und Jerome tauschten einen Blick aus. »Die meiste Zeit schon«, sagte die Alte.
    »Und wo hat er gewohnt, wenn er nicht hier war?«
    Keiner von beiden sagte ein Wort. Die Alte versenkte den Blick in ihren Schoß, während Jerome die Augen schloss und den Kopf wiegte, offenbar nach irgendeiner blöden Melodie, die nur

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