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Der Abgrund

Titel: Der Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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geweint als in seinem ganzen Leben. Aber die Kinder machten ihn einfach fertig.
    Jemand tippte ihm auf die Schulter. Als er aufstand und sich umdrehte, dachte Web, er müsste einen weiteren Trauernden trösten. Doch die Frau, die ihn anstarrte, schien sein Mitgefühl nicht im Geringsten zu benötigen.
    Julie Patterson war die Witwe von Lou Patterson. Sie hatte vier Kinder und war mit einem fünften schwanger gewesen, doch nur drei Stunden, nachdem sie erfahren hatte, dass sie plötzlich zur Witwe und allein erziehenden Mutter geworden war, hatte sie eine Fehlgeburt gehabt. Ein Blick in ihre glasigen Augen verriet Web, dass die Frau unter der Einwirkung von starken Medikamenten stand, von denen er hoffte, dass sie von einem Arzt verschrieben worden waren.
    Und sie roch nach Alkohol. Das war keine gute Mischung, insbesondere nicht an einem Tag wie heute. Von allen Frauen hatte Julie am wenigsten Kontakt zu Web gehabt, weil ihr Mann Web wie einen Bruder geliebt hatte, und Web hatte stets gespürt, dass Julie auf diese Beziehung eifersüchtig gewesen war.
    »Findest du wirklich, dass du hier sein solltest, Web?«, fragte Julie. Sie schwankte leicht in ihren schwarzen Stöckelschuhen, und ihre Augen schienen Schwierigkeiten zu haben, sich auf ihn zu konzentrieren. Sie sprach schleppend, ihre Zunge setzte bereits zu den nächsten Worten an, bevor sie die letzten zu Ende gesprochen hatte. Sie wirkte aufgedunsen, und ihre Haut war blass, aber mit roten Flecken übersät. Ihre Schwangerschaft war noch nicht sehr weit fortgeschritten gewesen, aber sie sollte zu Hause im Bett liegen, und Web fragte sich, warum sie stattdessen in die Kirche gekommen war. 
    »Julie, lass uns nach draußen gehen und etwas frische Luft schnappen. Komm, ich helf dir.«
    »Fass mich nicht an!«, schrie Julie - laut genug, dass alle im Umkreis von zehn Metern zu ihnen herüberstarrten. Die Fernsehleute waren ebenfalls aufmerksam geworden, und der Kameramann und der Reporter schienen gleichzeitig die Sensation zu wittern. Die Kamera drehte sich in Webs Richtung, und der Reporter kam zu ihnen geeilt.
    »Julie, lass uns nach draußen gehen«, wiederholte Web leise. Er legte ihr vorsichtig eine Hand auf die Schulter.
    »Mit dir gehe ich nirgendwohin, du Mistkerl!« Sie stieß Webs Hand weg, und er stöhnte vor Schmerz auf. Er hielt sich die verletzte Hand. Ihre Fingernägel hatten genau in das Loch gestochen, sodass die Naht aufgerissen war und die Wunde zu bluten begann.
    »Wasislos? Tudir deine Hand weh, du feiges Arschloch? Du Frankensteingesicht! Wie kann es deine Mutter ertragen, dich anzusehen? Du Missgeburt, du!«
    Cynde und Debbie versuchten, auf sie einzureden, sie zu beruhigen, aber Julie schubste sie weg und kam wieder auf Web zu. »Du bis' hingefallen, als die Schießerei anfing, aber du weißt nich', warum? Einfach hingefallen? Und du erwartest ernsthaft, dass wir diesen Stuss glauben?« Ihre Fahne war so überwältigend, dass Web für einen Moment die Augen schließen musste. Und das verstärkte nur sein Gefühl, in wenigen Augenblicken das Gleichgewicht zu verlieren.
    »Feigling! Feigling! Du hast sie einfach sterben lassen! Wie viel hast du dafür bekommen? Wie viel hast du an Lous Blut verdient, du Schwein?«
    »Mrs Patterson.« Percy Bates hatte sich ihnen genähert und sprach die Frau an. »Julie«, fügte er mit sehr ruhiger Stimme hinzu. »Wir werden Sie zu Ihrem Wagen bringen, bevor der Verkehr zu dicht wird. Ich habe Ihre Kinder bereits nach draußen bringen lassen.«
    Julies Lippen zitterten, als er ihre Kinder erwähnte. »Wie viele sind es?« Bates reagierte mit Verwirrung. »Wie viele Kinder habe ich?«, fragte Julie. Sie legte eine Hand auf ihren leeren Bauch. Ihr schwarzes Kleid hatte viele feuchte Tränenflecken. Dann wandte sie sich wieder Web zu und fletschte hasserfüllt die Zähne. »Eigentlich sollten es fünf sein. Ich hatte fünf Kinder und einen Mann. Und jetzt habe ich nur noch vier Kinder und keinen Lou. Ich hab Lou und mein Baby verloren, und nur wegen dir! Du bist schuld!« Ihre Stimme wurde immer schriller, und ihre Hand vollführte seltsame Kreisbewegungen auf ihrem Unterleib, als würde sie eine Zauberlampe reiben, um sich zu wünschen, dass ihr Baby und ihr Mann zurückkamen. Die Kamera zeichnete gierig alles auf. Der Reporter kritzelte hektisch mit.
    »Es tut mir Leid, Julie. Ich habe alles getan, was ich tun konnte«, sagte Web.
    Julie hörte auf, sich den Bauch zu reiben, und spuckte ihm ins Gesicht. »Das

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