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Der Abgrund

Titel: Der Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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zum Auge, sodass die linke Augenhöhle etwas mehr in Richtung Schläfe gezogen war. Vor den Operationen hatte er ein recht asymmetrisches Gesicht gehabt. Jetzt sah es wesentlich besser aus, aber die zwei Seiten würden niemals richtig zusammenpassen.
    Unter der transplantierten Haut waren ihm Plastik- und Metallteile eingesetzt worden, die den zerstörten Knochen ersetzten. Das Titan in seinem Gesicht ließ immer wieder die Metalldetektoren an Flughäfen Alarm geben. Keine Bange, Jungs, das ist nur die AK-47, die ich mir in den Arsch geschoben habe.
    Web hatte sich zahllosen Operationen unterziehen müssen, bis sein Gesicht einigermaßen wiederhergestellt gewesen war. Die Ärzte hatten gute Arbeit geleistet, auch wenn er für immer verunstaltet sein würde. Wenigstens hatten die Chirurgen ihm gesagt, dass sie die Grenzen ihrer professionellen Fähigkeiten erreicht und bereits ein kleines Wunder vollbracht hatten, und ihm schließlich alles Gute gewünscht. Es war schwieriger gewesen, sich daran zu gewöhnen, als er gedacht hatte, und bis zum heutigen Tag konnte er nicht behaupten, dass er es geschafft hatte. Es war eben etwas, womit man niemals fertig wurde, vermutete er, da man es jeden Tag aufs Neue im Spiegel sah.
    Er legte den Kopf noch etwas schiefer und zog den Kragen seines Hemds herunter, bis die alte Schusswunde unten am Hals sichtbar wurde. Sie befand sich genau dort, wo die Schutzweste aufhörte, und es war ein Wunder, dass die Kugel seine lebenswichtigen Arterien und die Wirbelsäule verfehlt hatte. Die Wunde sah aus wie eine Verbrennung durch eine Zigarre. Zu groß zum Kunststopfen, wie er gescherzt hatte, als er im Krankenhaus gelegen hatte, ein Patient, dem eine Gesichtshälfte fehlte und der zwei große Löcher im Körper hatte. Und alle anderen hatten mit ihm gelacht, obwohl er genau ihr nervöses Unbehagen gespürt hatte. Man war zuversichtlich gewesen, dass er durchkommen würde, und er hatte es geschafft. Aber niemand von den anderen wusste, welche körperlichen und sonstigen
    Albträume von seinen Verbänden verdeckt wurden. Die plastischen Chirurgen hatten ihm angeboten, die Schusswunden zu kaschieren. Aber Web hatte Nein gesagt. Er hatte genug von Ärzten, die ihm an einer Stelle ein Stück Haut klauten, um es anderswo wieder anzukleben. Besser würde der alte Web nicht mehr aussehen.
    Er berührte die Stelle auf der Brust, wo sich seine zweite ruhmreiche »Zigarrenverbrennung« befand. Die Kugel war in seinen Körper eingedrungen und an der Rückseite der Schulter ausgetreten. Irgendwie war sie auf beiden Seiten an seiner Kevlar-Weste vorbeigekommen und hatte anschließend noch genügend Energie besessen, den Kopf eines Kerls zu zertrümmern, der hinter Web stand und gerade seinen Schädel mit einer Machete spalten wollte. Wenn das kein Glück war! Web lächelte sein Spiegelbild an. »Das Glück ist mit den Tüchtigen«, sagte er.
    Das HRT hatte stets den größten Respekt vor seinem Heldentum gezeigt, mit dem er in jener Nacht in den Kampf gezogen war. Es war die Geiselnahme durch die »Freie Gesellschaft« an der Schule in Richmond, Virginia, gewesen. Web war kurz zuvor von den Scharfschützen zu den Kämpfern gewechselt und hatte sich noch nicht völlig eingelebt. Er war noch darauf bedacht gewesen, allen zu zeigen, was in ihm steckte. Dann hatte einer der »Freien« einen selbst gebrauten Cocktail geworfen, und Lou Patterson hätte die volle Wucht der Explosion abbekommen, wenn Web ihn nicht zur Seite gestoßen hätte. Der Feuerball hatte Webs linke Gesichtshälfte gestreift, ihn zu Boden geworfen und seine Maske mit der Haut verschmolzen. Er hatte sie sich abgerissen und dabei gleichzeitig einen Teil seines Gesichts verloren, aber unbeirrt weitergekämpft. Das Adrenalin, das bei jedem Kampf im Überfluss strömte, war das Einzige gewesen, das seine furchtbaren Schmerzen betäubt hatte.
    Die Geiselnehmer hatten das Feuer eröffnet, und Web war in den Brustkorb getroffen worden. Die zweite Kugel hatte seinen Hals erwischt. Viele unschuldige Menschen wären gestorben, wenn Web nicht nach diesen Verletzungen weitergemacht hätte. Statt ihn zu schwächen, schienen die Treffer ihm neue Energie zu geben. Er hatte drei Männer getötet, die ihn und sein Team hatten töten wollen! Er hatte verletzte Kameraden in Sicherheit gebracht, einschließlich Lou Patterson, der einen Schuss in den Arm abbekommen hatte, nur eine Minute, nachdem Web ihn vor den Flammen gerettet hatte. Die Taten, die Web in

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