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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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sank. Der Hune warf aufbrüllend den Kopf in den Nacken und schwankte nach rechts und links, während Sludig ihn mit seinem Speer von vorn angriff. Simon sah den Rimmersmannverschwinden, sah, wie sich das Ungeheuer bebend bückte und Sludig niederschlug.
    Der Riese hustete Blut. Er stand vor Sludig und tastete mit der einen Hand nach seiner Keule, während er die andere auf den Magen presste, aus dem das Blut quoll. Mit einem zornigen Aufschrei, außer sich vor Wut, dass dieses entsetzliche Wesen, das bereits das eigene Leben aushauchte, noch immer auf seine Freunde einschlug, packte der Junge mit einer Hand ein paar Finger voll Pelz, mit der anderen das schwankende Speerende, das im Rücken des Riesen steckte, und zog sich daran zu dessen Schulter hinauf.
    Der nach nassem Fell, Moschus und faulendem Fleisch stinkende Leib unter ihm streckte sich. Riesige Hände mit klauenartigen Nägeln hoben sich und schlugen blind nach dem Insekt, das sich da auf ihm niedergelassen hatte. Im selben Augenblick trieb Simon den Qanucdolch bis ans Heft in den Hals des Riesen, gerade unterhalb des verdrehten Kiefers. Sofort fühlte er sich gepackt und von armgelenkdicken Fingern fortgerissen.
    Ein Moment der Schwerelosigkeit; der Himmel war ein zerbrochener Strudel aus Grau und Weiß und mattestem Blau. Dann kam der Aufprall.
    Simon starrte auf einen runden Stein, kaum eine Handbreit von seiner Nase entfernt. Seine Glieder konnte er nicht fühlen, sein Körper war schlapp wie ein entgräteter Fisch, und er hörte auch keinen Ton außer einem schwachen Rauschen in den eigenen Ohren und dünnen Quieklauten, die vielleicht Stimmen waren. Vor ihm lag der Stein, kugelig und massiv, unbeweglich. Es war ein grauer Granitklumpen mit weißen Streifen, der vielleicht schon hier gelegen hatte, als die Zeit noch jung war. Es war ein ganz gewöhnlicher Stein, nur ein Stück aus den Gebeinen der Erde, die harten Kanten geglättet von Jahrmillionen Wind und Wasser.
    Simon konnte sich nicht bewegen, aber er konnte den reglosen, prachtvoll unwichtigen Stein sehen. Lange lag er so und starrte ihn an. Wo sein Körper gewesen war, spürte er nur Leere, bis der Stein selbst zu glühen begann und einen ganz schwachen, rosigen Schimmer Sonnenuntergang zurückwarf.Endlich kamen sie ihn holen, als Sedda, der Mond, aufgegangen war und ihr blasses Gesicht durch Nebel und Dämmerung auf ihn herunterspähte. Kleine, sanfte Hände hoben ihn auf und legten ihn auf eine Decke. Sacht schwankte er dahin, während sie ihn bergab trugen und vor einem hochlodernden Feuer niedersetzten. Simon starrte in den Mond, der am Himmel höherstieg. Binabik kam und sagte mit ruhiger Stimme viele besänftigende Worte, aber seine Rede ergab für Simon keinen Sinn. Während andere seine Wunden verbanden und ihm kühle, mit Wasser getränkte Lappen auf den Kopf legten, summte Binabik seltsame Rundgesänge und gab ihm aus einer Schale etwas Warmes zu trinken. Er hielt Simons schlaffen Kopf, und der saure Trank tröpfelte dem Jungen die Kehle hinunter.
    Ich liege wohl im Sterben , dachte Simon. Er fand einen gewissen Frieden in dieser Vorstellung. Ihm war, als hätte seine Seele den Körper bereits verlassen, denn er spürte kaum noch eine Verbindung mit dem eigenen Fleisch. Lieber wäre es mir gewesen, wir hätten den Schnee schon hinter uns gebracht. Ich wäre gern zu Hause gewesen …
    Er dachte an eine ähnliche Stille: den Augenblick, als er vor Igjarjuk gestanden hatte, das Schweigen, das die ganze Welt einzuhüllen schien, die zeitlose Zeit, bevor er das Schwert hatte niedersausen lassen, bevor das schwarze Blut hervorgesprungen war wie ein Brunnen.
    Aber diesmal hat mir das Schwert nicht geholfen … – war er nicht länger würdig, die Klinge zu führen, nachdem er den Urmsheim verlassen hatte? Oder war Dorn nur einfach unbeständig wie Wind und Wetter?
    Simon erinnerte sich an einen warmen Sommernachmittag zu Hause auf dem Hochhorst, als das Sonnenlicht durch die hohen Fenster von Doktor Morgenes’ Studierstube gefallen war und den träge dahinschwebenden Staub glitzern ließ wie aufstiebende Funken.
    »Such dir nie einen Ort als Heimat aus«, hatte der alte Mann ihm damals gesagt. »Bau dir ein Haus in deinem eigenen Kopf. Richte es mit Erinnerungen ein, mit zuverlässigen Freunden, der Liebe zum Lernen und anderem. So wirst du deine Heimat immer bei dir haben, wohin du auch reist.«
    Ist das Sterben? , grübelte Simon. Nach Hause gehen ? Das ist nicht so schlimm.
    Wieder

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