Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
sang Binabik, schläfrige Töne wie rauschendes Wasser.
Simon ließ sich fallen, trieb dahin.
Als er spät am nächsten Tag erwachte, wusste er nicht gleich, ob er noch lebte. Sie waren im Lauf des Morgens weitergezogen und hatten Simon und die anderen Verletzten in eine Höhle unter einem vorspringenden Felsen geschleppt. Beim Aufwachen sah er vor sich nur ein zum grauen Himmel offenes Loch. Es waren die am Höhleneingang vorübergleitenden, struppigen schwarzen Vögel, die ihm endlich begreiflich machten, dass er noch auf Erden weilte – die Vögel und der Schmerz in sämtlichen Gliedern.
Eine Zeitlang lag er so da und untersuchte seine Verletzungen. Nacheinander bewegte er alle Gelenke. Es tat weh, aber mit dem Schmerz kehrte auch die Beweglichkeit zurück. Er war am ganzen Leib zerschlagen, aber nicht ernstlich verletzt.
Nach einiger Zeit kam Binabik zu ihm und brachte eine neue Dosis seines Heiltranks. Der Troll selbst war auch nicht ungeschoren geblieben, wie tiefe Schnitte an Wangen und Hals bewiesen. Binabiks Gesicht war sehr ernst. Simons Wunden schien er nur flüchtig zu prüfen.
»Schlimme Schäden haben wir erlitten«, begann der Troll. »Wünschen würde ich mir, dieses nicht sagen zu müssen … aber … Haestan ist tot.«
»Haestan?« Simon vergaß seine schmerzenden Muskeln und fuhr auf. »Haestan?« Sein Magen schien sich umzudrehen.
Binabik nickte. »Und von meinen zwei Dutzend Gefährten sind neun getötet und sechs weitere schwer verwundet worden.«
»Was ist mit Haestan geschehen?« Simon hatte ein Gefühl der Unwirklichkeit, von dem ihm übel wurde. Wie konnte Haestan tot sein? Hatten sie nicht gerade noch miteinander gesprochen, bevor … bevor …
»Was ist mit Sludig?«
»Sludig ist verletzt, aber nur leicht. Er ist draußen bei den Männern meines Stammes; sie hacken Holz, um Feuer zu entzünden. Es ist wichtig zur Heilung der Verwundeten, verstehst du? Und Haestan …« Binabik schlug sich mit dem Handballen auf die Brust, eine Geste der Qanuc, um Böses abzuwehren, wie Simon gelernthatte. Der Troll sah zutiefst unglücklich aus. »Eine der Riesenkeulen traf Haestan am Kopf. Man sagte mir, er hätte dich aus der Gefahr gestoßen und kurz danach selbst den Tod gefunden.«
»Ach, Haestan«, stöhnte Simon. Er glaubte weinen zu müssen, aber es kamen keine Tränen. Sein Gesicht schien seltsam taub, sein Kummer sonderbar schwach. Er stützte den Kopf in die Hände. Der große Wachsoldat war so voller Leben gewesen, so herzhaft kräftig. Es war nicht recht, dass ein Dasein so schnell beendet werden konnte. Doktor Morgenes, Grimmric und Ethelbearn, An’nai und nun Haestan – alle tot, umgekommen, weil sie versucht hatten, das Rechte zu tun. Wo waren die Mächte, die diese Unschuldigen beschützten?
»Und Sisqi?«, fragte der Junge, dem jäh die Trolljungfrau einfiel. Ängstlich starrte er auf Binabiks Gesicht, aber der Troll lächelte nur zerstreut.
»Sie hat es überlebt und ist kaum verletzt.«
»Können wir Haestan den Berg mit hinunternehmen? Er würde sicher nicht gern hierbleiben.«
Binabik schüttelte bedauernd den Kopf. »Wir können seinen Körper nicht tragen, Simon. Nicht mit unseren Widdern. Er war ein Mann von Größe, für unsere Reittiere zu schwer. Und wir haben noch einen gefährlichen Weg vor uns, ehe wir das Flachland erreichen. Er muss hierbleiben, aber seine Knochen werden in Ehre neben den Knochen meines Stammes liegen. Er wird bei anderen guten und tapferen Kriegern sein. Ich denke, das ist es, was er sich wünschen würde. Nun solltest du wieder schlafen – aber zuerst sind hier noch zwei, die dich sprechen möchten.«
Binabik trat zurück. Am Höhleneingang warteten Sisqi und der Hirte Snenneq. Sie kamen näher und blieben bei Simon stehen. Binabiks Verlobte redete den Jungen in der Trollsprache an. Ihre dunklen Augen waren ernst. Snenneq neben ihr schien sich unbehaglich zu fühlen und trat von einem Fuß auf den anderen.
»Sisqinanamook sagt, dass sie voller Leid ist für dich, weil du deinen Freund verloren hast. Sie sagt auch, dass du seltene Tapferkeit gezeigt hast. Nun haben alle den Mut gesehen, den du schon am Drachenberg bewiesen hast.«
Simon nickte verlegen. Snenneq räusperte sich geräuschvoll und begann ebenfalls mir einer Ansprache. Simon wartete geduldig, bis Binabik erklären konnte.
»Auch Snenneq, Führer der Herden des Unteren Chugik, sagt, dass es ihm leid tut. Viele gute Leben gingen gestern verloren. Auch wünscht er, dir
Weitere Kostenlose Bücher