Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
sich dann wieder umdrehte, war er entmutigt, denn er sah, wie lang der Abstieg war, den sie noch hinter sich bringen mussten, bevor ihnen danach die zweifelhaften Annehmlichkeiten der darunterliegenden Öde zuteil wurden.
Haestan bemerkte seinen Gesichtsausdruck und bot ihm den mit Bändern verzierten Weinschlauch an, den ihm die Trolle geschenkt hatten. »Noch zwei Tage bis zum ebenen Boden, Junge«, sagte er mit trübem Lächeln. »Trink.«
Simon wärmte sich mit einem Schluck Kangkang und gab den Schlauch dann an Sludig weiter. Ein zahniges Grinsen erschien im gelben Bart des Rimmersmannes, als er den Schlauch zum Mund führte. »Gut«, meinte er. »Es ist kein Met, wie ich ihn kenne, und nicht einmal Wein aus dem Süden, aber doch entschieden besser als gar nichts.«
»Gottes Fluch, wenn das nicht die Wahrheit ist«, bekräftigte Haestan. Er nahm den Schlauch wieder an sich und tat genüsslich einen tiefen Zug, bevor er den Behälter wieder an seinen Gürtel sinken ließ. Simon kam die Stimme des Wachsoldaten ein bisschen belegt vor, und ihm wurde klar, dass Haestan schon den ganzen Tag getrunken hatte. Aber womit sollten sie auch sonst den Schmerz in den Beinen und das eintönige Wirbeln des Schnees bekämpfen? Lieber ein kleiner Rausch, damit man die Kälte nicht so spürte, als sich stundenlang elend zu fühlen. Wieder spähte Simon mit zusammengekniffenen Augen in den Graupelschnee, der ihm ins Gesicht flog. Er konnte die auf und nieder hüpfenden Gestalten der unmittelbar vor ihnen herreitenden Trolle ausmachen, aber weiter vorn gab es nur neblige Umrisse. Irgendwo, noch vor dem vordersten Troll, suchten Binabik und Qantaqa nach dem besten Weg aus der Geröllhalde. Der Wind trug die kehligen Rufe der Widderreiter nach hinten, unverständlich, aber sonderbar beruhigend.
Ein Stein sprang an seinem Fuß vorüber und kam ein paar Ellen weiter zum Halt. Das Singen des Windes übertönte das Geräusch. Simon fragte sich, was wohl passieren würde, wenn einmal ein wirklich großer Stein den Berg herunter auf sie zukam. Würden sie ihn im Aufruhr der Elemente überhaupt hören? Oder würde er plötzlich über sie kommen wie die Hand, die jäh auf eine Fliege fällt, wenn sie sich auf dem Fensterbrett sonnt? Besorgt drehte er sich um, vor seinem geistigen Auge eine riesige runde, immer größer werdende Masse, ein gewaltiger Felsblock, der alles zerquetscht, was ihm im Wege steht.
Kein großer Fels war zu sehen, aber weiter oben am Hang bewegte sich etwas. Simon starrte mit offenem Mund, für einen Augenblick unsicher, ob er infolge irgendeiner geheimnisvollen Schneeblindheit Dinge sah, die es nicht geben konnte, ungeheure Schatten, die im trügerischen Licht die Arme schwenkten wie Dreschflegel. Sludig, der Simons Blick gefolgt war, riss die Augen auf.
» Hunen !«, schrie der Rimmersmann. »Vaer Hunen ! Hinter uns am Hang sind Riesen!« Weiter unten, unsichtbar im Schneetreiben, wiederholte einer der Trolle mit rauhem Aufschrei Sludigs Alarm.
Verschwommene, überlange Gestalten kamen den felsübersäten Berg hinuntergelaufen. Vor ihnen her rollten losgetretene Steine und sprangen an Simon und seinen Gefährten vorüber. Die laut rufenden Trolle versuchten ihre Widder herumzureißen, um sich der plötzlichen Gefahr entgegenzustellen. Die angreifenden Riesen, die den Vorteil der Überraschung verloren hatten, brüllten wortlose Herausforderungen, mit Stimmen so tief, dass sie den Berg selbst zu erschüttern schienen. Mehrere riesige Gestalten stampften durch den Nebel heran. Sie schwangen breite Keulen oder knorrige Baumäste. Die schwarzen Gesichter mit den fauchenden Mäulern sahen aus, als schwebten sie körperlos im wirbelnden Schnee, aber Simon wusste, welche Kraft diese zottigen weißen Wesen besaßen. Er erkannte das Antlitz des Todes in ihren ledrigen Masken und seinen Griff, dem niemand entgehen konnte, in den dicken Sehnen und um sich schlagenden Armen von der doppelten Länge eines Männerarms.
»Binabik!«, schrie Simon gellend. »Riesen!«
Einer der Hunen hob im Laufen einen Felsblock vom Boden auf und schleuderte ihn den Hang hinunter. Er prallte auf und rollte weiter, abwärtspolternd wie ein durchgegangener Wagen. Noch während ein Sturm von Trollspeeren durch die Luft auf die Angreifer zusauste, knirschte der Riesenstein an Simon vorbei und donnerte krachend gegen die vorderste Reihe der Trolle. Das schrille Blöken der Widder und das Geheul ihrer zerschmetterten, sterbenden Reiter hallte
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