Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
den Kopf wieder sinken.
»Jedenfalls, Vater«, schrie Gealsgiath über die Elemente hinweg, »legen wir heute Abend an und bleiben zwei Tage. Ich gehe davon aus, dass Ihr uns verlasst, weil Ihr das Fahrgeld nur bis hierher bezahlt habt. Vielleicht habt Ihr aber Lust, mit ins Dock zu kommen und ein Glas mit mir zu trinken – sofern Euer Glaube es nicht verbietet.« Der Kapitän grinste. Jeder, der sich in Schenken auskannte, wusste, dass ädonitischen Mönchen die Freuden starker Getränke nicht fremd waren.
Bruder Cadrach musterte kurze Zeit die wogenden Segel und richtete dann die seltsamen, merkwürdig kalten Augen auf den Seefahrer. Sein rundes Gesicht legte sich in lächelnde Falten. »Seid bedankt, Kapitän, aber die Antwort ist nein. Der Junge und ich werden nach dem Anlegen noch eine Weile an Bord bleiben. Er fühlt sich nicht wohl, und ich habe es nicht eilig, ihn von hier fortzutreiben. Wir haben bis zum Kloster noch einen weiten Weg vor uns, und ein gutes Stück davon bergauf.« Die kleine Gestalt langte nach oben und zupfte am Ärmel von Cadrachs Kutte, aber der Mönch achtete nicht darauf.
Gealsgiath zuckte die Achseln und zog seine formlose Stoffmütze tiefer in die Stirn. »Ihr müsst es wissen, Vater. Ihr habt Eure Fahrt bezahlt und Eure Arbeit an Bord getan, obwohl ich sagen würde, dass Euer Junge den Löwenanteil davon geleistet hat. Ihr könnt jederzeit aufbrechen, bevor wir die Segel nach Crannhyr setzen.« Er machte kehrt, winkte mit der Hand, an der die Knöchel wie Knoten hervortraten, und entfernte sich über die schlüpfrigen Planken, wobei er noch rief: »Aber wenn sich der Bursche nicht wohlfühlt, würde ich ihn lieber rasch nach unten bringen!«
»Wir haben nur etwas frische Luft geschöpft!«, brüllte Cadrach ihm nach. »Höchstwahrscheinlich werden wir morgen früh an Land gehen! Habt Dank, wackerer Kapitän!«
Während der alte Gealsgiath davonstapfte, bis er in Regen und Nebel verschwunden war, drehte sich Cadrachs Begleiter um und sah dem Mönch ins Gesicht.
»Warum bleiben wir an Bord?«, wollte Miriamel wissen, in deren hübschen, scharfgeschnittenen Zügen sichtbar der Zorn stand. »Ich will herunter von diesem Schiff! Jede Stunde ist von Bedeutung!« Der Regen war selbst durch ihre dicke Kapuze gedrungen und klebte ihr das schwarze Haar in triefenden Strähnen an die Stirn.
»Psst, Herrin, psst.« Bruder Cadrachs Lächeln wirkte jetzt eine Spur aufrichtiger. »Natürlich gehen wir von Bord – und zwar beinahe sofort nach der Landung. Macht Euch keine Sorgen.«
»Und warum habt Ihr ihm dann gesagt …?« Miriamel war erbost.
»Weil Seeleute gern reden, und ich wette, dass keiner schwatzhafter ist als unser Kapitän. Es gab aber keine Möglichkeit, ihn daran zu hindern, Sankt Muirfath weiß es. Hätten wir ihm Geld gegeben, damit er den Mund hält, würde er sich jetzt nur noch schneller volllaufen lassen und noch lautere Reden halten. Wenn uns nun aber jemand sucht, glaubt er wenigstens, wir wären noch auf dem Schiff. Vielleicht verhält man sich dann ruhig und wartet so lange auf unser Herauskommen, bis das Schiff wieder in See sticht, zurück nach Hernystir. Inzwischen sind wir dann in Ansis Pelippé unauffällig an Land gegangen.« Cadrach schnalzte befriedigt mit der Zunge.
»Oh.« Miriamel dachte einen Augenblick schweigend nach. Wiedereinmal hatte sie den Mönch unterschätzt. Seitdem sie in Abaingeat Gealsgiaths Schiff bestiegen hatten, war Cadrach nüchtern. Kein Wunder freilich, denn auf der Reise war ihm mehrfach heftig übel geworden. Aber hinter dem runden Gesicht verbarg sich ein scharfer Verstand. Wieder und, davon war sie überzeugt, nicht zum letzten Mal fragte sie sich, was wohl wirklich in Cadrach vorging.
»Tut mir leid«, meinte sie endlich. »Das war ein guter Einfall. Glaubt Ihr tatsächlich, dass man nach uns sucht?«
»Es wäre töricht von uns, etwas anderes anzunehmen, Herrin.« Der Mönch nahm ihren Ellenbogen und führte sie in den spärlichen Schutz des Unterdecks zurück.
Als sie Perdruin schließlich zu Gesicht bekam, war es, als wenn ein riesiges Schiff aus dem unruhigen Meer aufgestiegen sei und sich nun jäh vor ihrem kleinen, zerbrechlichen Segelboot erhöbe. Eben noch war da nichts weiter gewesen als die dichte Schwärze vor ihrem Bug; im nächsten Augenblick, als habe jemand einen Vorhang zur Seite gezogen, ragte es über ihnen auf wie der Bug einer mächtigen Galeone.
Durch den Nebel glänzten tausend Lichter, winzig wie
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