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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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richtete sich auf. Der Gedanke an ihre einstigen Gefährten erinnerte sie an ihre Pflicht. Sie spielte die Rolle eines Klosterschülers, und zwar eines kranken. Sie gehörte unter Deck. Das Schiff würde bald anlegen.
    Miriamel lächelte bitter. So viele Täuschungen! Selbst fernab vom Hofe ihres Vaters spielte sie den Menschen noch immer etwas vor. Das traurige Kind in Nabban und Meremund hatte oft so getan, als sei es glücklich. Die Lüge war besser gewesen als eine Antwort auf die gutgemeinten Fragen, auf die es doch keine Antwort gab. Als ihr Vater sich von ihr zurückzog, hatte sie vorgegeben, es mache ihr nichts aus, obwohl ihr zumute gewesen war, als fresse sie etwas bei lebendigem Leib auf.
    Wo war Gott, hatte sich die jüngere Miriamel gefragt; wo war er, als Liebe sich allmählich zu Gleichgültigkeit verhärtete und ausFürsorge Pflichterfüllung wurde? Wo war Gott, als ihr Vater Elias den Himmel um Antworten anflehte, während seine Tochter in den Schatten vor seinem Gemach atemlos lauschte?
    Vielleicht hat Er meine Lügen geglaubt, dachte sie gallig und stieg die glitschigen Holztreppen zum Unterdeck hinunter. Vielleicht wollte Er sie ja glauben, damit Er sich wichtigeren Dingen zuwenden konnte.
    Die Stadt auf dem Berghang war hell erleuchtet und die regnerische Nacht eine einzige Feier voller maskierter Menschen. Es war Mittsommerfest in Ansis Pelippé, und trotz des für die Jahreszeit unpassenden Wetters herrschte in den engen, krummen Gassen lärmende Fröhlichkeit.
    Miriamel trat einen Schritt zurück, als ein halbes Dutzend als angekettete Affen verkleideter Männer rasselnd und stolpernd an ihr vorbeigeführt wurde. Einer der Betrunkenen sah sie im dunklen Torweg eines der Häuser mit den geschlossenen Fensterläden stehen und drehte sich nach ihr um. Sein unechter Pelz war vom Regenwasser verklebt, und er sah aus, als wollte er ihr etwas sagen. Stattdessen jedoch rülpste der Affenmensch nur, lächelte entschuldigend durch die Mundöffnung seiner schiefsitzenden Maske und heftete dann den sorgensatten Blick wieder auf das unebene Kopfsteinpflaster vor seinen Füßen.
    Während die Affen davontorkelten, tauchte auf einmal Cadrach wieder neben ihr auf.
    »Wo wart Ihr?«, fragte sie. »Fast eine Stunde seid Ihr fortgeblieben.«
    »Nicht so lange, Herrin, gewiss nicht.« Cadrach schüttelte den Kopf. »Ich habe Verschiedenes herausgefunden, das uns nützlich sein wird. Sehr nützlich.« Er schaute sich um. »Ach, was für eine wilde Nacht das doch ist, nicht wahr?«
    Miriamel zog Cadrach wieder auf die Straße hinaus. »Hier käme man nie auf den Gedanken, dass im Norden Krieg geführt wird und Menschen sterben«, erklärte sie missbilligend. »Auch nicht darauf, dass der Krieg vielleicht Nabban schon bald erreichen wird, und dabei liegt es gleich auf der anderen Seite der Bucht.«
    »Natürlich nicht, Herrin«, schnaufte Cadrach und passte seinekürzeren Schritte, so gut er konnte, den ihren an. »Das ist typisch perdruinesisch, von solchen Dingen eben gerade nichts zu wissen. So gelingt es ihnen, sich fröhlich aus fast allen Auseinandersetzungen herauszuhalten und sowohl den Sieger als auch den am Ende Unterlegenen zu bewaffnen und zu versorgen – und dabei noch einen beachtlichen Gewinn herauszuschlagen.« Er grinste und rieb sich das Wasser aus den Augen. »Und das ist etwas, für das selbst die Leute von Perdruin in den Krieg ziehen würden: wenn es darum geht, ihren Profit zu verteidigen.«
    »Dann überrascht es mich nur, dass noch niemand diese Insel überfallen hat.« Die Prinzessin wusste selbst nicht, warum die Unbekümmertheit der Bürger von Ansis Pelippé sie so aufbrachte, aber jedenfalls fühlte sie sich aufs äußerste gereizt.
    »Überfallen? Das Wasserloch trüben, aus dem alle trinken?«
    Cadrach betrachtete sie verblüfft. »Meine liebe Miriamel… verzeiht, mein lieber Malachias – ich darf das nicht vergessen, denn wir werden uns bald in einer Umgebung bewegen, in der Euer wahrer Name nicht unbekannt ist – mein lieber Malachias also, Ihr müsst noch viel von der Welt lernen.« Er schwieg einen Moment, während eine neue Schar Kostümierter vorüberhüpfte und sich laut und betrunken über die Worte irgendeines Liedes zankte. »Da«, meinte der Mönch und machte eine Gebärde hinter ihnen her, »da habt Ihr ein Beispiel dafür, dass das, was Ihr meint, nie eintreten wird. Habt Ihr den kleinen Streit verfolgt?«
    Miriamel zog die Kapuze tiefer ins Gesicht, um sich vor dem

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