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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Stadtlandschaft hatte. Aber er war offensichtlich unbewohnt.
    »Wenn die Sithi hier je gelebt haben, Herrin, sind sie jetzt lange verschwunden.« Eolair sagte es fast feierlich, aber Maegwin glaubte einen Unterton von Befriedigung herauszuhören. »Es ist Zeit zum Umkehren.«
    Maegwin warf ihm einen verächtlichen Blick zu. War der Mann denn bar jeder Wissbegier? »Und was ist das?«, fragte sie und deutete auf ein mattes Leuchten im Mittelpunkt der dunklen Stadt. »Wenn das kein Lampenlicht ist, bin ich ein Rimmersmann.«
    Der Graf riss die Augen auf. »Es sieht tatsächlich danach aus«, bestätigte er zögernd. »Trotzdem könnte es auch etwas anderes sein. Licht, das von oben einfällt, zum Beispiel.«
    »Ich bin schon sehr lange in den Tunneln«, erwiderte Maegwin. »Die Sonne ist oben bestimmt schon lange untergegangen.« Sie berührte seinen Arm. »Kommt, Eolair, ich bitte Euch! Seid doch nichtso ein engstirniger alter Mann! Wie könnt Ihr diesen Ort verlassen, ohne Näheres darüber in Erfahrung gebracht zu haben?«
    Der Graf von Nad Mullach zog die Brauen zusammen, aber Maegwin sah deutlich, dass unter der Oberfläche andere Gefühle miteinander im Widerstreit lagen. Auch er wollte wissen, was hier vorging, so viel war unverkennbar. Eben diese Durchschaubarkeit seines Wesens war es ja, die ihr Herz bezwungen hatte. Wie war es nur möglich, dass er als Gesandter an allen Höfen von Osten Ard geweilt hatte und trotzdem manchmal so offenherzig war wie ein Kind?
    »Bitte«, wiederholte sie.
    Er prüfte das Öl in den Lampen, bevor er antwortete. »Nun gut. Aber nur, damit Ihr beruhigt seid. Ich zweifle nicht daran, dass Ihr einen Ort entdeckt habt, der einst den Sithi gehörte oder vielleicht auch Menschen aus alter Zeit, die über Fähigkeiten verfügten, die wir heute nicht mehr besitzen. Aber sie sind längst verschwunden. Sie können uns nicht mehr vor dem Schicksal retten, das uns erwartet.«
    »Wie Ihr meint, Graf. Aber kommt jetzt!«
    Sie zog ihn weiter, in die Stadt hinein.
    Trotz Maegwins zuversichtlicher Worte schienen die steinernen Gassen wirklich seit langem verödet zu sein. Unter ihren Füßen wirbelte Staub auf und schwebte lustlos wieder zu Boden. Als sie eine Weile gegangen waren, merkte Maegwin, wie ihre Begeisterung nachließ und sich ihre Stimmung eintrübte. Das Lampenlicht ließ die hervorragenden Türme und weitgeschwungenen Brückenbögen grotesk hervortreten. Wieder fühlte sie sich an Gebeine erinnert, als wanderten sie durch den von der Zeit blankgescheuerten Brustkorb eines unvorstellbaren Ungeheuers. Sie folgte den gewundenen Straßen durch die verlassene Stadt und fühlte sich allmählich wie verschluckt. Zum ersten Mal bekam die Unendlichkeit dieser Tiefe, bekam das schiere Ausmaß der Entfernung zwischen ihr und der Oberfläche etwas Bedrückendes.
    Sie kamen an unzähligen leeren Löchern in den gemeißelten Steinfassaden vorüber, Löcher, deren glatte Ränder einst von Türen verschlossen gewesen waren. Maegwin stellte sich Augen vor, die aus den dunklen Eingängen zu ihnen hinausstarrten – keine boshaftenAugen, sondern traurige Augen, die die Eindringlinge mehr bedauernd als zornig musterten.
    Umringt von den stolzen Ruinen fühlte Lluths Tochter sich niedergedrückt von der Last dessen, was ihr Volk nicht geworden war und vielleicht auch niemals werden konnte. Die sonnenbeschienenen Felder der ganzen Welt hatten ihnen gehört, und doch hatten die Stämme von Hernystir sich in die Höhlen des Berges zurückdrängen lassen. Selbst ihre Götter hatten sie verlassen. Diese Sithi hatten wenigstens ihr Denkmal in prachtvoll gemeißeltem Stein zurückgelassen. Maegwins Volk baute aus Holz, und sogar die Knochen der Krieger von Hernystir, die jetzt am Inniscrich bleichten, würden im Lauf der Jahre zu Staub zerfallen. Bald würde von ihrem Volk überhaupt nichts mehr übrig sein.
    Wenn sich kein Retter fand. Aber das konnten eigentlich nur die Sithi sein, und wo waren sie geblieben? Hatte Eolair recht? Waren sie wirklich tot? Sie war so sicher gewesen, dass sie sich nur tief ins Innere der Erde zurückgezogen hatten, aber vielleicht lebten sie längst an einem ganz anderen Ort.
    Sie sah Eolair verstohlen von der Seite an. Der Graf ging stumm neben ihr her. Er starrte die prächtigen Türme an, als wäre er ein Bauer vom Rand des Circoille-Waldes bei seinem ersten Besuch in Hernysadharc. Sie betrachtete sein Gesicht mit der schmalen Nase und dem aufgelösten Haar und fühlte

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