Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
muss etwas essen«, verkündete Miriamel endlich schwer atmend. Sie standen in der Ausbuchtung einer der vielen gewundenen Straßen, von der aus man zwischen zwei Gebäuden auf die Lichter des nebligen Hafens hinunterschauen konnte. Der stumpfe Mond hing am wolkigen Himmel wie ein Knochenplättchen.
»Ich will auch nicht mehr weiter, Malachias«, ächzte Cadrach.
»Wie weit ist es noch bis zu diesem Kloster?«
»Es gibt kein Kloster, oder falls doch, gehen wir jedenfalls nicht dorthin.«
»Aber warum habt Ihr dann dem Kapitän … oh.« Miriamel schüttelte den Kopf und fühlte die schwere Nässe von Kapuze und Mantel. »Natürlich. Und wohin gehen wir dann?«
Cadrach blickte zum Mond empor und lachte leise. »Wohin wir wollen, verehrte Freundin. Soweit ich weiß, liegt am oberen Ende dieser Straße eine Schenke von einigem Ruf; ich muss gestehen, dass ich uns ungefähr in diese Richtung geführt habe. Und das gewiss nicht, weil es mir Freude macht, auf diesen goirach Bergen herumzuklettern.«
»Eine Schenke? Warum keine Herberge, in der wir nach dem Essen auch ein Bett finden können?«
»Weil es, mit Verlaub, nicht das Essen ist, das mir am Herzen liegt. Ich war länger auf diesem grässlichen Schiff, als ich mir vorstellen mag. Ausruhen werde ich erst dann, wenn ich meinen Durst gestillt habe.« Cadrach wischte sich mit der Hand über den Mund und grinste. Der Ausdruck in seinen Augen gefiel Miriamel nicht sonderlich.
»Aber weiter unten war doch eine Schenke neben der anderen …«, begann sie.
»Genau. Schenken voll von betrunkenen Klatschmäulern, die sich um anderer Leute ungelegte Eier kümmern. An einem solchen Ort kann ich meine wohlverdiente Ruhe nicht finden.« Er wandte dem Mond den Rücken zu und stapfte weiter die Straße hinauf. »Kommt, Malachias. Ich bin sicher, es ist nur noch ein kleines Stück.«
Anscheinend gab es so etwas wie eine nicht überfüllte Schenke während des Mittsommerfestes in ganz Perdruin nicht. Aber wenigstens hockten die Zecher im Roten Delfin nicht Wange an Wange wie in den Hafenkneipen, sondern nur Ellenbogen an Ellenbogen. Dankbar rutschte Miriamel auf eine Bank an der hinteren Wand und tauchte in den Wogen der Gespräche und Gesänge ab. Cadrach legte Sack und Wanderstab ab und entfernte sich, um einen Becher Wanderers Lohn zu holen. Gleich darauf kam er aber zurück.
»Guter Malachias, ich hatte vergessen, wie nahezu mittellos ichbin, nachdem ich unsere Überfahrt bezahlt habe. Verfügt Ihr über ein paar Cintis-Stücke, die ich zum Löschen unseres Durstes verwenden könnte?«
Miriamel wühlte in ihrer Börse und förderte eine Handvoll Kupfermünzen zutage. »Bringt mir ein wenig Brot und Käse mit«, sagte sie und schüttete dem Mönch die Münzen in die ausgestreckte Hand.
Während sie dasaß und sich wünschte, den nassen Mantel ausziehen zu können und zu feiern, dass sie dem Regen entronnen war, polterte eine neue Schar kostümierter Festteilnehmer zur Tür herein, schüttelte sich das Wasser aus dem Putz und rief nach Bier. Einer der Lautesten trug eine Maske, die wie der Kopf eines Hundes mit roter Zunge aussah. Er schlug mit der Faust auf den Tisch, und sein rechtes Auge fand Miriamel und schien an ihr haften zu bleiben. Jähe Furcht überwältigte sie, und sie erinnerte sich plötzlich an eine andere Hundemaske und an Feuerpfeile, die den Waldschatten zerfetzten.
Aber dieser Hund hier drehte sich gleich wieder zu seinen Kumpanen um, grölte einen Witz und warf lachend den Kopf in den Nacken, dass die Stoffohren flogen.
Miriamel presste die Hand auf die Brust, als wollte sie ihr rasendes Herz zwingen, langsamer zu schlagen.
Ich muss die Kapuze aufbehalten, ermahnte sie sich. Es ist die Nacht des Festes, wer wird schon zweimal hinsehen? Jedenfalls besser so, als dass jemand mein Gesicht erkennt, so unwahrscheinlich das auch sein mag.
Cadrach blieb überraschend lange fort. Miriamel wollte gerade unruhig werden und fragte sich, ob sie aufstehen und ihn suchen sollte, als er zurückkam, in jeder Hand einen Bierkrug. Zwischen den Krügen eingeklemmt trug er ein halbes Brot und ein Stück Käse.
»Heute Abend kann man hier verdursten, während man auf sein Bier wartet«, erklärte der Mönch.
Miriamel aß gierig und nahm einen tiefen Zug von dem Bier, das bitter und dunkel auf ihrer Zunge lag. Den Rest des Kruges überließ sie Cadrach, der nichts dagegen einzuwenden hatte.
Als sie sich die letzten Krümel von den Fingern geleckt hatte undnachsann,
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