Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
Blutgier vorzufinden geglaubt hatte, sah er nur gespannte Erwartung – die gleiche Erwartung, die er als Kind in den Gesichtern seiner Geschwister gesehen hatte, wenn die Leibgarde des Hochkönigs oder ein bemalter Hausiererwagen an ihrem Gut in Hewenshire vorbeigekommen war. Diese Menschen freuten sich lediglich auf eine Abwechslung. Schade nur, dass es der Tod eines Menschen, höchstwahrscheinlich seines geliebten Prinzen, sein musste, der für dieses Vergnügen sorgte.
An den Zaunpfählen von Fikolmijs Umhegung flatterten goldene Bänder, als wäre es ein Festtag. Der Mark-Than saß vor der Tür seines Wagens auf einem Hocker. Mehrere andere, juwelenbehängte Thrithingmänner, die Deornoth für benachbarte Stammesführer hielt, hatten neben ihm auf dem Boden Platz genommen. In der Nähe stand eine Anzahl Frauen unterschiedlichen Alters, unter ihnen Vara. Die Tochter des Mark-Thans hatte ihr zerfetztes Hofgewand abgelegt. Stattdessen trug sie die traditionelle Stammestracht, ein wollenes Kleid mit Kapuze, darüber einen breiten, mit bunten Steinen besetzten Gürtel, und über der Stirn ein Band, das am Hinterkopf über der Kapuze zusammengebunden war. Während die Bänder der anderen Frauen in dunklen Farben gehalten waren, war Varas Band weiß – zweifellos, dachte Deornoth mürrisch, um darauf hinzuweisen, dass sie als Braut feilgeboten wurde.
Als der Prinz mit seinem Gefolge durch das Tor trat, begegneten sich Josuas und Varas Blicke. Bedeutungsvoll zeichnete der Prinz das Symbol des Baumes auf seine Brust, küsste seine Hand und legte sie auf die Stelle. Vara wandte sich ab, als wollte sie ihre Tränen verstecken.
Fikolmij stand auf und begann zu der versammelten Menge zu sprechen. In seiner Rede an die sitzenden Würdenträger und das übrige Stammesvolk, das sich um die Zäune der Einfriedung drängte, wechselte er immer wieder zwischen Westerling und der rauhen Mundart der Thrithinge. Während der Mark-Than mit seiner dröhnenden Ansprache beschäftigt war, schlüpfte Deornoth zwischen dem Halbdutzend Speerträger hindurch, die Josua in die Umzäunung begleitet hatten, und schob sich an die Seite des Prinzen.
»Hoheit«, sagte er leise und berührte ihn an der Schulter. Erschrocken fuhr Josua in die Höhe, als erwache er aus einem Traum. »Deornoth!«
»Ich wollte Euch um Vergebung bitten, mein Prinz, was auch immer gleich geschieht. Ihr seid der gütigste Herr, den ein Mann sich wünschen könnte. Ich hatte kein Recht, so mit Euch zu sprechen, wie ich es gestern getan habe.«
Josua lächelte traurig. »Du hattest jedes Recht. Ich wünschte nur, ich hätte mehr Muße gehabt, über deine Worte nachzudenken. In letzter Zeit habe ich mich wirklich viel zu viel mit mir selbst beschäftigt. Es war die Tat eines Freundes, mir das vor Augen zu führen.«
Deornoth sank auf ein Knie und zog Josuas Hand an die Lippen.
»Der Herr segne Euch«, stieß er hervor. »Gott mit Euch, Josua. Und macht mit diesem Untier nicht zu schnell ein Ende.«
Nachdenklich sah der Prinz ihm beim Aufstehen zu. »Vielleicht werde ich es müssen. Ich fürchte, dass ich nicht stark genug bin, die Sache hinzuziehen. Wenn ich überhaupt eine Möglichkeit sehe, muss ich sie nutzen.«
Deornoth wollte noch etwas hinzufügen, aber seine Kehle war wie zugeschnürt. Noch einmal ergriff er Josuas Hand und trat dann zurück.
Eine lärmende Salve von Geschrei und Zurufen stieg aus derMenge empor, als jetzt Utvart über den Koppelzaun stieg und sich vor Fikolmij aufstellte. Josuas Gegner warf die Kuhfellweste ab und enthüllte einen muskelbepackten Oberkörper, der mit Fett eingerieben war, bis er glänzte. Bei dem Anblick zogen sich Deornoths Brauen zusammen: Utvart würde sich geschmeidig bewegen können und das Fett würde ihn warmhalten.
Der Thrithingmann hatte sein Krummschwert ohne Scheide in den breiten Gürtel gesteckt. Das lange Haar war am Hinterkopf zum Knoten gebunden. An jedem Arm trug er einen Armreif, und mehrere Ohrringe klirrten gegen sein Kinn. Seine Narben hatte er mit roter und schwarzer Farbe nachgezogen, um sich ein dämonisches Aussehen zu geben.
Nun zog er das Schwert aus dem Gürtel und schwang es über dem Kopf, was die Menge zu neuerlichem Gebrüll veranlasste. »Komm, Ohnehand«, grölte er. »Utvart wartet.«
Vater Strangyeard betete laut, als Josua quer durch die Umfriedung auf seinen Gegner zuschritt. Deornoth merkte, dass die Worte des Priesters, anstatt ihn zu beruhigen oder zu trösten, ihm derart auf die
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