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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Unbesonnenheit nicht weiter auffiel.
    »Pelippas Schüssel.« Dinivan hatte diese Herberge in einem Brief erwähnt, weil sie von einer Frau betrieben wurde, die früher einmal Nonne im Orden der heiligen Pelippa gewesen war – ihr Name wollte Tiamak nicht einfallen – und noch immer Gespräche über theologische und philosophische Dinge liebte. Morgenes hatte immer bei ihr gewohnt, wenn er das Wran bereiste, denn der alte Mann schätzte die Besitzerin für ihren respektlosen Verstand und ihr nachdenkliches Temperament.
    Während alle diese Erinnerungen wieder in ihm aufstiegen, merkte Tiamak, wie er langsam munterer wurde. Möglicherweise würde Dinivan in der Herberge zu ihm stoßen. Oder, noch besser, vielleicht hielt sich sogar Morgenes dort auf, was dann auch erklären würde, weshalb Tiamaks letzte Botschaften an die Adresse des alten Mannes auf dem Hochhorst in Erkynland unbeantwortet gebliebenwaren. Aber so oder so, mit den Namen seiner Schriftrollenträgerfreunde als Sicherheit würde er in »Pelippas Schüssel« ein Bett und ein mitfühlendes Herz finden, davon war er überzeugt.
    Noch immer benommen vom Fieber, aber bereits ein wenig hoffnungsvoller, stemmte Tiamak den schmerzenden Rücken von neuem gegen die Stange und stakte sein zerbrechliches Boot langsam über die fettiggrünen Wasserstraßen von Kwanitupul.

    Das geheimnisvolle Wesen in Simons Kopf sprach weiter. Der Zauber der Frauenstimme hielt ihn in sanften Banden, umhüllte ihn mit einer Magie, die weder Anfang noch Ende zu haben schien. Er lag in völliger Dunkelheit zwischen Schlaf und Wachen; aber seine Gedanken waren rege wie bei einem Menschen, der bloß zu schlafen vorgibt, während in der anderen Zimmerecke seine Feinde ihre Pläne schmieden. Simon wachte nicht auf, sank aber auch nicht ins Vergessen. Stattdessen hörte er der Stimme zu, und ihre Worte beschworen Bilder voller Schönheit und Grauen.
    »… Und obwohl du von uns gegangen bist, Hakatri – ich weiß nicht, ob in den Tod oder nach dem Äußersten Westen –, sage ich dir diese Dinge; denn in Wahrheit weiß niemand, wie auf der Straße der Träume die Zeit verrinnt oder wohin Gedanken wandern, die auf den Schuppen des Großen Wurms oder durch andere Zeugen ausgesandt werden. Vielleicht ist es ja doch möglich, dass du irgendwo … oder irgendwann … diese Worte vernimmst und durch sie von deiner Familie und deinem Volk hörst.
    Es drängt mich danach, mit dir zu sprechen, mein geliebter Sohn, auch wenn du schon so lange fort bist.
    Du weißt, dass dein Bruder sich die Schuld an deinen furchtbaren Wunden gab. Als du am Ende nach Westen aufbrachst, um nach Trost zu suchen, wurde er kalt und unzufrieden.
    Ich will dir nicht die ganze Geschichte von den Überfällen der Schiff-Männer erzählen, jener grimmen Sterblichen von jenseits des Meeres. Du ahntest etwas von ihrem Kommen, bevor du von uns gingst, und manche würden sagen, dass es diese Rimmersmänner waren, die uns den schwersten Schlag zufügten; denn sie zerstörten Asu’a, unser großes Haus, und wer von uns amLeben blieb, wurde in die Verbannung getrieben. Ja, manche würden die Rimmersmänner unsere schlimmsten Feinde nennen, aber man könnte einwenden, dass wir die schrecklichste Wunde erlitten, als dein Bruder die Hand gegen euren Vater Iyu’unigato erhob – euren Vater, meinen Gemahl – und ihn dort in der großen Halle von Asu’a erschlug.
    Wieder andere könnten behaupten, dass unser Schatten schon seit Anbeginn der Zeiten entstand und wuchs, damals in Venyha Do’sae, dem verschollenen Garten, und dass wir ihn in unseren Herzen mit hierherbrachten. Sie würden sagen, dass selbst die im neuen Lande Geborenen – wie du, mein Sohn – mit dem Schatten auf die Welt kamen, der bereits ihr tiefstes Inneres befleckte, und dass es keine Unschuld mehr gab, seit die Welt jung war.
    Und das ist das Schwierige an den Schatten, Hakatri. Auf den ersten Blick wirken sie ganz einfach – da ist etwas, das vor dem Licht steht. Doch was von einer Seite betrachtet im Schatten liegt, kann aus einem anderen Blickwinkel wie ein glänzendes Spiegelbild leuchten. Was der Schatten an einem Tag bedeckt, kann am nächsten Tag im grellen Sonnenlicht stehen, und die Welt verliert, wenn es dahingeht. Nicht alles, was im Schatten gedeiht, ist schlecht, mein Sohn …«

    »Pelippas Schüssel« … »Pelippas Schüssel …«
    Das Denken fiel Tiamak schwer. Zerstreut sagte er den Namen ein paarmal vor sich hin, weil er für den

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