Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
aufbrechen und bin nur geblieben, um zu sehen, dass Ihr auch wirklich Eure Pferde bekamt.« Sie deutete in die Dunkelheit vor dem Unterstand, wo in einer weiteren Umzäunung die neuen Rosse des Prinzen stampften und schnaubten. »Nun kann ich nicht länger warten.«
Sie sprach noch kurz unter vier Augen mit Josua und mit Strangyeard und flüsterte der kleinen Leleth ein paar Worte ins Ohr, auf die das kleine Mädchen so teilnahmslos reagierte, als lausche siedem Rauschen des Ozeans in einer Seemuschel. Dann sagte Geloë allen ein knappes Lebewohl und schritt hinaus in die Nacht. Ihr abgetragener Mantel knatterte im scharfen Wind.
Deornoth, der der Außenseite des Unterstandes am nächsten saß, steckte wenig später den Kopf ins Freie. Vom windzerfetzten Wolkenhimmel drang ein klagendes Echo an seine Ohren, aber als er hinaufschaute, erhaschte er nur einen kurzen Blick auf etwas Dunkles, Geflügeltes, das am eisigen Mond vorüberschwebte.
Deornoth hatte Wache – ihr Vertrauen zu den Thrithingmännern war nicht so groß, dass sie darüber leichtsinnig geworden wären –, als Josua hinkend auf ihn zukam.
»Die Sterne haben sich noch kaum bewegt«, flüsterte Deornoth. »Dort steht die Lampe, fast noch am selben Fleck.« Er deutete auf einen trüben Lichtpunkt am bewölkten Nachthimmel. »Ihr seid erst in ein paar Stunden an der Reihe, Hoheit. Legt Euch wieder hin.«
»Ich kann nicht schlafen.«
Deornoth war sicher, dass man im Dunkeln nicht sehen konnte, wie er lächelte. »Dass man in der Nacht vor der Hochzeit Sorgen und Bedenken hat, Herr, ist nichts Ungewöhnliches.«
»Das ist es nicht, Deornoth. Meine Sorgen und Selbstzweifel sind, wie du selbst mir einmal erklärt hast, ohne Bedeutung. Es gibt andere Dinge, über die ich nachdenken muss.«
Einen Augenblick herrschte Schweigen. Deornoth zog den Kragen seines Mantels enger. Die Nacht war sehr kalt geworden.
»Ich bin froh, dass ich noch lebe«, fuhr Josua endlich fort, »aber ich fühle mich ein wenig wie die Maus, der die Katze erlaubt hat, sich für eine Weile in eine Ecke zu flüchten. Lebendig, ja – aber wie lange noch? Denn weit schlimmer als die Bosheit meines Bruders ist die Hand des Nordens, die sich jetzt nach uns ausstreckt.« Er seufzte. »Damals habe ich gehofft, Jarnaugas Erzählung könnte trotz aller Beweise vielleicht doch nicht wahr sein. Aber in dem Augenblick, als ich vor den Mauern von Naglimund diese weißen Gesichter zu mir aufstarren sah, starb etwas in mir. Nein, sorge dich nicht, guter Deornoth«, fügte er eilig hinzu, »ich fange nicht wieder an zu jammern, wie du – ich weiß es – insgeheim fürchtest. Ich habe mir deineErmahnungen zu Herzen genommen.« Er lachte unfroh. »Trotzdem sage ich nur die Wahrheit. Durch unsere Welt laufen Ströme des Hasses wie Blut, heiß und lebendig. Alles, was ich bei den Usiresbrüdern über das Böse gelernt habe, alle ihre gelehrten Betrachtungen über den Teufel und seine Werke haben mich das nicht so klar erkennen lassen wie ein einziger Blick in die schwarzen Augen der Nornen. Die Welt hat eine dunkle Unterseite, Deornoth. Manchmal frage ich mich, ob es nicht besser ist, gar nicht erst nach Wissen zu streben.«
»Aber gewiss hat doch Gott diese Dinge auf die Erde gebracht, um unseren Glauben zu prüfen, Prinz Josua«, erwiderte Deornoth nach einer Weile. »Wenn einem nie etwas Böses begegnete, hätte auch niemand vor der Hölle Angst.«
»Allerdings.« Der Prinz wechselte die Tonart. »Aber darum bin ich eigentlich nicht zu dir herausgekommen. So ist Josua eben – aus jedem Gespräch macht er etwas Tristes und Unheilvolles!« Er lachte wieder, diesmal etwas fröhlicher. »Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du mein Trauzeuge sein willst, wenn Vara und ich morgen früh heiraten.«
»Ich würde mich geehrt fühlen, Prinz Josua. Und es wäre mir eine große Freude.«
»Du warst immer der treueste aller Freunde, Deornoth.«
»Und Ihr seid der beste Gebieter, den ein Mann haben kann.«
»Ich habe nicht ›Lehensmann‹ oder ›Ritter‹ gesagt, Deornoth«, erwiderte Josua mit fester Stimme, aber nicht ohne einen Anflug von Humor. »Ich sagte ›Freund‹ – aber glaube darum nicht, dass die Ehre, mein Trauzeuge zu sein, nicht mit Verantwortung verbunden ist. Nichts wäre falscher.« Er wurde wieder ernst. »Meine Fürsorge für Menschen, die mir teuer sind, war bisher wenig glorreich, Freund Deornoth. Auch wenn du jetzt widersprichst, es lässt sich nicht bestreiten. Darum
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