Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
Drittel in den Ring der Birken vorgedrungen.
Versuche, dem ansteigenden Hang den Rücken zu kehren, schlugen ebenfalls fehl. Der Wind seufzte in den Zweigen, die Birkenblätter raschelten, und Simon kam es vor, als liefe er wie in einem Traum, in dem man trotz aller Anstrengungen kein Stück vorwärtskommt. Endlich, in einem Anfall ohnmächtiger Wut, schloss er die Augen und rannte einfach los. Sein Schreck verwandelte sich für einen Augenblick in ein trunkenes Hochgefühl, als er spürte, wie der Grund unter ihm abfiel. Äste schlugen ihm ins Gesicht, aber irgendein sonderbarer Zufall sorgte dafür, dass er nicht gegen einen der zahllosen Bäumen prallte, die seiner überstürzten Flucht im Wege standen.
Als er endlich anhielt und die Augen öffnete, fand er sich wieder oben auf dem Berg. Vor ihm wartete Maye’sa. Ihr durchsichtiges Röckchen flatterte in der ruhelosen Brise.
»Ich habe dir doch gesagt, dass du den Hain der Tanzenden Jahre nicht betreten darfst«, wiederholte sie, als erkläre sie einem Kind eine schmerzliche Wahrheit. »Hast du geglaubt, es würde dir gelingen?« Sie reckte den biegsamen Hals und schüttelte den Kopf. Ihre Augen waren groß und fragend. »Wunderliches Wesen.«
Sie verschwand bergab in Richtung auf Jao é-Tinukai’i. Simon folgte ihr nach einiger Zeit. Mit gesenktem Kopf sah er zu, wie seine Stiefelspitzen das Gras niedertraten. Bald merkte er, dass er auf dem Pfad vor Jirikis Haus stand. Es wurde Abend. Am Flussteich zirpten die Grillen.
»Sehr gut, Seoman«, lobte ihn Aditu am nächsten Tag. Prüfend betrachtete sie das Shent -Brett und nickte. »Irreführung! Man entfernt sich von dem, was man eigentlich erreichen will. Du lernst.«
»Es gelingt nicht immer«, erwiderte er trübe.
Aditus Augen glitzerten. »Nein. Manchmal braucht man einen komplizierteren Plan. Aber es ist ein Anfang.«
Binabik und Sludig waren nicht sehr weit in den Wald hineingeritten, nur so tief, dass ihr Lager vor dem bitteren Wind geschützt war, der über die Ebenen fegte, ein Wind, dessen Stimme längst zum unablässigen Heulen geworden war. Die angepflockten Pferde traten unruhig hin und her, und selbst Qantaqa machte einen verstörten Eindruck. Sie war gerade von ihrem dritten Streifzug in das Innere des Waldes zurückgekommen und saß nun mit gespitzten Ohren da, als lausche sie auf eine bereits erwartete, aber trotzdem unheilverkündende Warnung. In ihren Augen schimmerte der Abglanz des Feuerscheins.
»Glaubst du, dass wir hier sicherer sind, Kleiner?«, fragte Sludig und schärfte sein Schwert. »Ich hätte lieber die offene Ebene zum Feind als diesen Wald.«
Binabik zog die Stirn in Falten. »Das mag sein. Aber würdest du auch lieber den haarigen Riesen gegenübertreten, die wir gesehen haben?«
Der Weiße Weg, die große Straße, die sich an den nördlichen Grenzen des Aldheorte entlangzog, hatte am äußersten Rand des Forstes einen Bogen geschlagen und sie zum ersten Mal, seit sie vor vielen Tagen mit Simon die Alte Tumet’ai-Straße verlassen hatten, nach Süden geführt. Kurz darauf war ihnen eine Schar weißer Gestalten aufgefallen, die sich in der Ferne hinter ihnen bewegten – Gestalten, von denen sie beide wussten, dass es Hunen sein mussten. Die Riesen, früher unwillig, ihre Jagdgründe am Fuß von Sturmspitze zu verlassen, schienen neuerdings das ganze Nordland zu durchstreifen. Beim Gedanken an das Gemetzel, das eine Meute dieser Unholde erst vor kurzem unter ihrer großen Reisegesellschaft angerichtet hatte, gaben sich weder Troll noch Rimmersmann der falschen Hoffnung hin, sie könnten einen Zusammenstoß mit den zottigen Ungetümen lebend überstehen.
»Wieso glaubst du eigentlich, dass wir sicherer sind, nur weil wir ein paar Achtelmeilen tief im Wald stecken?«, wollte Sludig wissen.
»Nichts ist gewiss«, gab Binabik zu. »Aber ich weiß, dass die Gräbervoller Widerwillen sind, Tunnel in den Aldheorte zu scharren. Vielleicht haben die Riesen einen ähnlichen Widerwillen.«
Sludig schnaubte und zog seine Klinge laut schabend über den Wetzstein. »Und der Hune , den Josua bei Naglimund getötet hat, als der Junge Simon gefunden wurde? War er nicht auch im Wald?«
»Man hatte ihn dorthin getrieben«, erwiderte Binabik gereizt und schob den zweiten mit Blättern umwickelten Vogel in die Glut. »Es gibt keine Sicherheit im Leben, Sludig. Schlauer dünkt es mich aber, weniger zu wagen.«
Nach kurzem Schweigen erklärte der Rimmersmann: »Du hast recht, Troll.
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