Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
Simon ungemein verdrießlich. Innerlich kochend, stapfte er die Uferböschung hinauf. Es erforderte seine ganze Selbstbeherrschung, nicht zu dem Sitha zurückzugehen, der friedlich den Fluss betrachtete, und ihm das schöne, fremdartige Gesicht in den Schlamm zu stoßen.
Simon marschierte mit großen Schritten durch das ganze Tal, diesmal nicht mit Fluchtgedanken, sondern um die aufgestaute Unrast und Gereiztheit loszuwerden. Steifbeinig ging er an mehreren anderen Sithi vorbei. Die meisten waren allein, nur einige wenige wanderten paarweise dahin, ohne jedoch miteinander zu sprechen. Manche betrachteten ihn, ohne zu blinzeln, mit neugierigen Augen, andere schienen ihn gar nicht zu bemerken. Eine Vierergruppe saß da und lauschte still dem Gesang eines Fünften; aufmerksam folgten ihre Blicke den zierlich gleitenden Handbewegungen des Sängers.
Barmherziger Ädon, knurrte Simon vor sich hin, was haben sie nur den ganzen Tag im Kopf? Sie sind ja schlimmer als Doktor Morgenes ! Zwar hatte der Doktor auch zu langen Schweigeperioden geneigt, in denen er nur zerstreut und tonlos vor sich hin summte, aber wenigstens hatte er am Ende des Tages einen Bierkrug geköpft und Simon ein wenig Geschichte beigebracht oder Verbesserungsvorschläge für die recht ungelenke Handschrift seines Lehrlings gemacht.
Simon trat gegen einen Tannenzapfen und sah zu, wie er davonrollte. Er musste zugeben, dass die Sithi schön waren. Ihre Anmut, die fließenden Linien ihrer Gewänder, die gelassene Heiterkeit ihrer Gesichter, das alles gab ihm das Gefühl, wie ein schlammbespritzter Mischlingshund auszusehen, der sich im Hause eines großen Herrn am Tischtuch scheuert. So erbost er auch über seine Gefangenschaft war, manchmal flüsterte ihm eine grausame innere Stimme ins Ohr, dass ihm nur recht damit geschah. Es stand ihm nicht zu, diesen Ort zu betreten, und nachdem er sich nun einmal hier eingedrängt hatte, konnten die Unsterblichen einem Straßenjungen wie ihm gewiss nicht gestatten zurückzukehren, nur um sie seinen lächerlichen Erzählungen preiszugeben. Wie weiland Hans Mundwalds Mann Osgalin der Sage war er in einen Feenhügel hinabgestiegen. Die Welt konnte für ihn nie mehr wie früher sein.
Simons Schritt wurde langsamer, das zornige Dahinstapfen verwandelte sich in ein Schlurfen. Bald darauf vernahm er das stetige Plätschern von Wasser auf Stein. Er sah von seinen grasfleckigen Stiefeln auf und entdeckte, dass er das ganze Tal durchwandert hatte und jetzt im Schatten der Berge stand. Eine unbestimmte Hoffnung stieg in ihm auf. Er befand sich in der Nähe der Teiche, wie Aditu sie genannt hatte; das Sommertor konnte nicht weit sein. Anscheinend hatte er dadurch, dass er gar nicht an einen Weg nach draußen gedacht hatte, erreicht, was ihm an den Tagen zuvor so ganz und gar misslungen war.
Er versuchte, auch weiter so wenig wie bisher darüber nachzudenken, und verließ den Pfad. Er steuerte auf das Geräusch des rieselnden Wassers zu und sah mit, wie er hoffte, angemessener Unbekümmertheit zu den überhängenden Bäumen auf. Schon nach wenigen Schritten war das Sonnenlicht verschwunden, und er war in den kühlen Bergschatten eingetreten. Über grasige Hänge ging es nach oben, durch Teppiche aus schüchternen blauen Levkojen und weißen Sternblumen. Als das Lied des fallenden Wassers lauter wurde, musste er sich beherrschen, nicht loszurennen. Stattdessen hielt er inne und lehnte sich an einen Baum, ganz als befinde er sich auf einem besinnlichen Spaziergang. Er sah den Sonnenstrahlen zu, die durch die Blätter fielen, und lauschte seinem eigenen Atem, der allmählich ruhiger wurde. Dann, als er fast vergessen hatte, wohin er wollte – bildete er es sich nur ein, oder wurde das Rauschen des Wassers wirklich auf einmal lauter? –, stieg er weiter den Berg hinauf.
Als er die Höhe des ersten Abhangs erreicht hatte, rechnete er fest damit, den untersten Teich vor sich zu sehen. Stattdessen fand er sich am Rand eines kreisrunden Tales. An seinen oberen Hängen wuchsen Scharen von weißen Birken, deren Blätter gerade ihre sommergelbe Farbe annahmen. Sie raschelten sanft im leichten Wind, wie kleine, goldene Pergamentstreifen. Unterhalb der Birken, eine Stufe tiefer, zog sich ein dichter Ring aus silberblättrigen Bäumen um das Tal. Sie bebten, als der Wind zu ihnen hinunterwehte.
In ihrer Mitte, tief im Grund, gab es dunklen Pflanzenwuchs, denSimons Augen nicht durchdringen konnten. Aber auch dort strich jetzt der Wind
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