Der Adler ist entkommen
herauszubekommen, was Schellenberg vorhat. Falls er und Devlin Portugal gemeinsam verlassen, dann will ich sofort informiert werden.«
»Ich kümmere mich persönlich darum, Sir«, versprach Carter und eilte hinaus.
Zwar hatte der Wetterbericht zu Weihnachten Schnee angekündigt, aber als Jack Carter am Abend des Siebenundzwanzigsten in die kleine Straße am Portman Square einbog, regnete es. Er hatte diese Gegend bewußt für das Treffen mit Vargas ausgewählt, weil sie nicht weit von der SOEZentrale lag. Das Cafe hieß Mary's Pantry, war völlig verdunkelt, doch als er eintrat, erstrahlte das Innere von Weihnachtsschmuck und Stechpalmen. Es war noch früh am Abend, und es waren nur drei oder vier Gäste zu sehen.
Vargas saß in einer Ecke, trank Kaffee und las in einer Zeitung. Er trug einen dicken dunkelblauen Mantel, auf dem Tisch vor ihm lag ein Hut. Er hatte dunkle Haut, eingefallene Wangen und einen bleistiftdünnen Schnurrbart. Sein Haar glänzte von Pomade und war in der Mitte gescheitelt.
»Hoffentlich haben Sie mir etwas Anständiges zu bieten«, begrüßte ihn Carter.
»Würde ich mich bei Ihnen melden, wenn es nicht so wäre, Señor?« fragte Vargas. »Ich habe Nachricht von meinem Cousin in Berlin erhalten.«
»Und?«
»Sie wünschen weitere Informationen über Steiner. Sie beabsichtigen eine Befreiungsaktion.«
»Sind Sie sicher?«
»So lautete die Nachricht. Sie wollen alles über seinen Aufenthaltsort wissen. Sie scheinen anzunehmen, daß Sie ihn aus dem Tower an einen anderen Ort verlegen.«
»Wer ist ›sie‹? Die Abwehr?«
»Nein. General Schellenberg vom SD leitet das Projekt. Zumindest ist er es, für den mein Cousin tätig ist.«
Carter nickte, verspürte eine zunehmende innere Erregung und stand auf. »Rufen Sie mich gegen elf unter der üblichen Nummer an, alter Freund, und lassen Sie mich nicht umsonst warten.« Er beugte sich vor. »Das ist die ganz große Nummer, Vargas. Wenn Sie klug sind, dann verdienen Sie eine Menge Geld.«
Er machte kehrt und ging hinaus. Danach eilte er durch die Baker Street, so schnell es sein künstliches Bein erlaubte.
In Lissabon stieg zur gleichen Zeit Walter Schellenberg die steile kopfsteingepflasterte Gasse in die Alfama hinauf zum Estrela de Lisboa. Er konnte die Musik schon hören, noch ehe er das Cafe erreichte. Als er eintrat, fand er den Gastraum bis auf den Barkeeper und Devlin am Klavier völlig verlassen vor.
Der Ire hielt inne, um sich eine Zigarette anzuzünden, und lächelte. »Hatten Sie ein schönes Weihnachtsfest, General?«
»Es hätte schlimmer sein können. Und Sie?«
»Die Stiere waren sehr wild. Ich bekam ein paar Huftritte ab. Ich hatte zuviel getrunken.«
»Ein gefährliches Spiel.«
»Nicht wirklich. In Portugal werden die Hornspitzen stumpf gemacht. Niemand gerät in Lebensgefahr.«
»Dann lohnt es doch gar nicht die Mühe«, sagte Schellenberg.
»Wirklich nicht? Wein, gutes Essen, Stiere und viel, viel Sonne, das war es, was ich zu Weihnachten hatte, General.« Er begann herumzuklimpern und stimmte »Moonlight on the Highway« an. »Und ich mußte plötzlich an den alten Al Bowlly und die Bombennächte, an London und den Nebel in den Straßen denken. Ist das nicht seltsam?«
Schellenberg hatte Mühe, seine Erregung zu verbergen. »Heißt das, Sie machen mit?«
»Unter einer Bedingung. Ich kann es mir bis zuletzt noch anders überlegen, wenn ich meine, daß der Plan nicht absolut wasserdicht ist.«
»Meine Hand darauf.«
Devlin stand auf, und sie gingen hinaus auf die Terrasse. »Morgen früh fliegen wir nach Berlin«, sagte Schellenberg.
»Sie, General, aber nicht ich.«
»Aber Mr. Devlin -«
»Sie müssen in diesem Spiel an alles denken, wissen Sie. Sehen Sie mal dort unten.« Hinter der Mauer war Frear aufgetaucht und unterhielt sich mit einem der Kellner, der die Tische im Freien abwischte. »Er beobachtet mich die ganze Zeit, der alte Frear. Er hat mich mit dem großen Walter Schellenberg zusammen gesehen. Ich denke doch, daß dies in einem seiner Berichte nach London besondere Erwähnung gefunden hat.«
»Was schlagen Sie also vor?«
»Sie fliegen nach Berlin zurück und setzen Ihre Vorbereitungen fort. Es gibt ja eine Menge zu tun. In der Mission müssen die richtigen Papiere für mich ausgestellt werden, dann brauche ich Reisegeld und so weiter, und ich komme inzwischen mit der
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