Der Adler ist entkommen
im Bombenhagel auf London ums Leben kam?« fragte Devlin. »Er wollte nicht in den Keller runterrennen wie die anderen, wenn die Sirenen losheulten. Sie haben ihn nach einem Angriff tot in seinem Bett gefunden.«
»Ein Unglück«, sagte Schellenberg.
»Ich glaube, es hängt davon ab, auf welcher Seite man steht.«
Devlin spielte eine Überleitung und machte mit »A Foggy Day in London Town« weiter, und Schellenberg bemerkte: »Sie sind ein Mann mit vielen Talenten, Mr. Devlin.«
»Ein ganz passabler Pianist, mehr nicht«, meinte Devlin bescheiden. »Die Früchte einer verkorksten Jugend.« Er griff nach seinem Weinglas und spielte einhändig weiter. »Und wer sind Sie, alter Junge?«
»Mein Name ist Schellenberg - Walter Schellenberg. Sie haben vielleicht schon mal von mir gehört.«
»Aber sicher.« Devlin grinste. »Dafür habe ich lange genug in Berlin gelebt. Jetzt General, nicht wahr, und beim SD, oder? Haben Sie etwas mit den beiden Idioten zu tun, die mich heute am frühen Abend belästigten?«
»Ich bedaure das, Mr. Devlin. Der Mann, den Sie angeschossen haben, ist der Polizeiattache der Botschaft. Der andere, Major Berger, ist bei der Gestapo. Er begleitet mich nur deshalb, weil der Reichsführer es so wollte.«
»Mein Gott, rührt der alte Himmler sich wieder? Als ich ihn das letzte Mal sah, war er nicht gerade gut auf mich zu sprechen.«
»Nun, er braucht Sie jetzt.«
»Für was?«
»Sie sollen für uns nach England gehen, Mr. Devlin. Nach London, um genau zu sein.«
»Nein, danke. Ich habe in diesem Krieg zweimal für den deutschen Geheimdienst gearbeitet. Das erste Mal in Irland, was mich beinahe den Kopf gekostet hätte.« Er tippte gegen die Schußnarbe an der Stirn.
»Und beim zweitenmal, diesmal in Norfolk, bekamen Sie eine Kugel in die rechte Schulter und sprangen dem Tod im letzten Moment von der Schippe. Kurt Steiner mußten Sie zurücklassen.«
»Ach, davon wissen Sie?«
»Operation Adler? Aber ja.«
»Ein guter Mann, der Oberstleutnant. Mit den Nazis hatte er eigentlich nicht viel am Hut…«
»Wissen Sie auch, was mit ihm passiert ist?«
»Klar - sie brachten Max Radl damals nach seinem Herzinfarkt ins Krankenhaus in Holland, in dem auch ich lag. Er erhielt eine Meldung von irgendwelchen geheimen Quellen in England, daß Steiner an einem Ort namens Meltham House bei dem Versuch getötet wurde, Churchill zu entführen.«
»Zwei Dinge stimmen dabei nicht«, erklärte Schellenberg. »Zwei Dinge, die Radl nicht wußte. Erstens war es nicht Churchill an jenem Wochenende. Er war unterwegs zur Konferenz in Teheran. Es war sein Double. Irgendein Varietekünstler.«
»Jesus, Maria und Josef!« Devlin hörte auf zu spielen.
»Und zweitens, was noch wichtiger ist, Kurt Steiner ist nicht tot. Er lebt und erfreut sich bester Gesundheit. Zur Zeit befindet er sich im Tower in London, und deshalb möchte ich, daß Sie für mich nach England gehen. Sehen Sie, mir wurde die Aufgabe übertragen, ihn wohlbehalten ins Reich zurückzuholen, und ich habe kaum mehr als drei Wochen Zeit, um das zu organisieren.«
Frear hatte das Cafe einige Minuten früher betreten und Schellenberg sofort erkannt. Er zog sich in eine Nische zurück, von der aus er einem Kellner winkte, ein Bier bestellte und beobachtete, wie die beiden Männer hinaus in den Garten hinter dem Cafe gingen. Dort setzten sie sich an einen Tisch und blickten hinunter auf die Lichter der Schiffe auf dem Tejo.
»General, Sie haben den Krieg verloren«, sagte Devlin. »Warum finden Sie sich nicht damit ab, anstatt sich dagegen aufzubäumen?«
»Ach, wir alle müssen unser Bestes tun, bis diese verdammte Sache zu Ende ist. Ich sage immer, es ist schwierig, von einem Karussell abzuspringen, wenn es erst einmal in Fahrt gekommen ist. Wir müssen unser Spiel weiterspielen.«
»Genauso wie der alte Knacker mit dem weißen Haar in der Ecknische, der uns die ganze Zeit beobachtet«, stellte Devlin fest.
Schellenberg dreht sich wie zufällig um und schaute verstohlen in die Richtung. »Wer ist das?«
»Er tut so, als wäre er im Portweingeschäft. Er heißt Frear. Von meinen Freunden weiß ich, daß er Militärattache in der hiesigen Britischen Botschaft ist.«
»Tatsächlich.« Schellenberg ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und kam wieder zum Thema. »Sind Sie interessiert?«
»Was sollte mich denn
Weitere Kostenlose Bücher