Der Adler ist gelandet
Hagl hatte das rote Barett und die Sprungjacke abgelegt, die Tarnhose hatte er anbehalten.
»Kein Glück, Herr Leutnant?« sagte er und verstummte jäh. »Ich glaube, ich höre einen Jeep kommen.«
»Ja, aber aus der ganz verkehrten Richtung«, erwiderte Neumann grimmig.
Er flankte über die Mauer neben Hagl, drehte sich um und sah einen Jeep um die Ecke bei Joanna Greys Landhaus biegen. Von der Funkantenne flatterte ein weißes Taschentuch. Außer dem Mann am Steuer saß niemand im Wagen. Neumann trat hinter der Brüstung hervor, stemmte die Hände in die Hüften und wartete.
Shafto hatte es nicht für nötig erachtet, einen Stahlhelm aufzusetzen, er trug noch immer das Käppi. Er nahm eine Zigarre aus der Hemdtasche und steckte sie höchst wirkungsvoll zwischen die Zähne. Er ließ sich reichlich Zeit mit dem Anzünden, stieg dann aus dem Jeep und kam näher. Ein paar Meter vor Neumann machte er halt, stellte sich breitbeinig hin und musterte den Leutnant von oben bis unten. Neumann sah die Kragenspiegel und salutierte förmlich. »Colonel.« Shafto salutierte zurück. Sein Blick registrierte die beiden Eisernen Kreuze, das Ordensband für den Winterkrieg, das Verwundetenabzeichen in Silber, die Nahkampfspange, das Fallschirmspringerabzeichen, und er wußte, daß er in diesem jungen Mann mit dem frischen Gesicht einen alten Haudegen vor sich hatte.
»Aha, Schluß mit der Maskerade, wie, Herr Leutnant? Wo ist Steiner? Sagen Sie ihm, Colonel Robert E. Shafto, Kommandeur der Einundzwanzigsten Specialist Raiding Force, möchte ihn sprechen.« »Ich führe hier den Befehl, Colonel. Sie müssen mit mir vorliebnehmen.« Shaftos Augen hefteten sich auf den Lauf des Bren, der durch das Ablaufloch in der Brückenmauer ragte, schwenkten zur Poststelle, zum Oberstock des Gasthauses, wo zwei Schlafzimmerfenster offenstanden. Neumann sagte höflich: »Noch etwas, Colonel? Oder haben Sie genug gesehen?«
»Was ist mit Oberstleutnant Steiner passiert? Ist er stiftengegangen?« Neumann antwortete nicht, und Shafto fuhr fort: »Okay, Junge, ich weiß, wieviel Männer Sie hier unter Ihrem Befehl haben, und wenn ich meine Jungens herbeordern muß, dann seid ihr in zehn Minuten geliefert. Warum nicht vernünftig sein und das Handtuch werfen?«
»Bin untröstlich«, sagte Neumann. »Aber ich bin in solcher Eile aufgebrochen, daß ich vergessen habe, eins in meinen Wochenendkoffer zu stecken.«
Shafto stippte die Asche von seiner Zigarre. »Zehn Minuten, mehr gebe ich euch nicht, dann kommen wir.«
»Und ich gebe Ihnen zwei, Colonel«, erwiderte Neumann, »damit Sie sich von hier wegscheren können, ehe meine Leute das Feuer eröffnen.« Man hörte das metallische Klicken von Gewehrverschlüssen. Shafto blickte zu den Fenstern hoch und sagte grimmig: »Okay, Sie haben's so gewollt.«
Er ließ die Zigarre zu Boden fallen, trat sie bedächtig aus, marschierte zum Jeep zurück und setzte sich ans Steuer. Im Wegfahren griff er nach dem Mikrophon des Funkgeräts. »Hier Sugar One. Zwanzig Sekunden. Countdown. Neunzehn, achtzehn, siebzehn...«
Bei zwölf fuhr er an Joanna Greys Haus vorüber und bog bei zehn in die Landstraße ein.
Sie sah ihm vom Schlafzimmerfenster aus nach, dann drehte sie sich um und ging in ihr Arbeitszimmer. Sie öffnete die Geheimtür zum Dachverschlag und verschloß sie. Sie ging hinauf, setzte sich ans Funkgerät, nahm die Luger aus der Schublade und legte sie in Reichweite auf den Tisch. Seltsam, aber jetzt, als es soweit war, empfand sie nicht die geringste Furcht. Sie griff nach einer Flasche Whisky, und während sie sich ein tüchtiges Glas voll eingoß, fielen die ersten Schüsse.
Das Führungsfahrzeug von Shaftos Abteilung raste um die
Ecke in die Gerade. Drinnen saßen vier Männer, und weitere zwei standen im Heck hinter einem Browning-MG. Als der Jeep an Joanna Greys Nachbarhaus vorbeifuhr, sprangen Dinter und Berg gleichzeitig auf. Dinter stützte den Lauf des Bren-MG mit der Schulter ab, während Berg schoß. Er feuerte eine lange Salve ab, die die beiden Männer am Browning-MG von den Füßen riß. Der Wagen schnellte über die Uferböschung, überschlug sich und blieb mit den Rädern nach oben im Fluß liegen. Der nachfolgende Jeep brach seitwärts aus. Der Fahrer riß das Fahrzeug im Bogen über die Grasböschung, so daß er um ein Haar zu dem ersten in den Fluß gestürzt wäre. Berg schwang den Lauf seines Bren herum und gab kurze Feuerstöße ab, die einen der MG-Schützen seitlich aus
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