Der Adler ist gelandet
vor?«
»Ins Tal des Todes, Molly, mein Herz, ritten die sechshundert und so weiter und so fort, wie's in den schönen alten englischen Schnulzen heißt.« Er goß sich ein Glas Bushmills ein und sah ihre erstaunte Miene. »Dachtest du, ich würde abhauen und Steiner im Stich lassen?« Er schüttelte den Kopf. »Mein Gott, Mädchen, und ich dachte, du kennst mich.« »Du kannst nicht rauf ins Dorf.« Panik klang aus ihrer Stimme. »Liam, es ist völlig aussichtslos.« Sie hielt ihn am Arm fest. »Ich muß aber, mein Kleines.« Er küßte sie auf den Mund und schob sie mit fester Hand beiseite. Er wandte sich zur Tür. »Nebenbei bemerkt, ich hab' dir einen Brief geschrieben. Nur ein paar Zeilen, aber falls er dich interessiert, er liegt auf dem Kaminsims.«
Die Tür fiel ins Schloß, und Molly stand wie betäubt da. Irgendwo in einer anderen Welt wurde das Motorrad gestartet und fuhr weg. Sie fand den Brief und riß ihn mit zitternden Händen auf.
Molly, meine einzige wahre Liebe. Wie ein großer Mann einmal sagte, ich bin meinem Schicksal begegnet, und seitdem kann nichts mehr so sein, wie es vordem war. Ich kam nach Norfolk, um eine Aufgabe zu erfüllen, nicht um mich zum ersten- und letztenmal in meinem Leben zu verlieben, und noch dazu in ein häßliches kleines Bauernmädel, das wirklich vernünftiger hätte sein sollen. Du wirst inzwischen viel Schlechtes über mich gehört haben. Versuche trotzdem, nicht schlecht von mir zu denken. Daß ich von Dir fort muß, ist Strafe genug. Laß es damit gut sein. Wie man in Irland sagt: Wir kannten beide Tage. Liam.
Die Schrift begann zu verschwimmen, Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie stopfte den Brief in ihre Tasche und stolperte aus dem Haus. Das Pferd war am Haltering angebunden. Sie band es hastig los, schwang sich in den Sattel und hieb mit der geballten Faust auf den Nacken des Tieres ein, bis es in Galopp fiel. Am Ende des Deichs ritt sie kurzerhand über die Landstraße, sprang über eine Hecke und jagte querfeldein auf das Dorf zu.
Otto Brandt saß auf dem Brückengeländer und rauchte eine Zigarette, als hätte er überhaupt keine Sorgen. »Also, was machen wir? Abhauen?« »Wohin?« Neumann sah auf die Uhr. »Zwanzig vor fünf. Spätestens um halb sieben müßte es dunkel sein. Wenn wir uns so lange halten können, besteht die Möglichkeit, daß wir uns in Zweier- oder Dreiergruppen seitwärts in die Büsche schlagen und versuchen, nach Hobs End zu kommen. Vielleicht können wenigstens ein paar von uns das Boot erwischen.« »Der Oberstleutnant könnte andere Pläne haben«, sagte Unteroffizier Altmann.
Brandt nickte. »Genau, aber er ist nicht da, also scheint es mir besser, wenn wir uns auf ein kleines Scharmützel vorbereiten.« »Womit wir bei einer wichtigen Frage wären«, sagte Neumann. »Wir kämpfen nur als deutsche Soldaten. Das war von Anfang an klar. Ich meine, jetzt ist es Zeit, mit der Maskerade aufzuhören.« Er nahm das rote Barett und die Sprungjacke ab und stand in deutscher Uniform da. Dann holte er ein Schiffchen, wie es die Luftwaffe trug, aus der Hüfttasche und rückte es im vorschriftsmäßigen Winkel zurecht. »So«, sagte er zu Brandt und Altmann. »Und jetzt auch alle anderen. Macht euch auf die Socken.«
Joanna Grey hatte die ganze Szene vom Fenster ihres Schlafzimmers aus verfolgt. Beim Anblick von Neumanns Uniform überlief sie ein Schauder. Sie sah Altmann die Poststelle betreten. Gleich darauf kam Mr. Turner, Er überquerte die Brücke und ging den Hügel zur Kirche hinauf. Neumann war ratlos wie noch nie. Normalerweise hätte er unter den gegebenen Umständen den sofortigen Rückzug befohlen, aber, wie er vorhin zu Brandt gesagt hatte, wohin? Er hatte, sich selbst mitgerechnet, zwölf Mann, um die Gefangenen zu bewachen und das Dorf zu halten. Eine unmögliche Situation. Aber das war am Albert-Kanal und in Eben Emael genauso, würde Steiner sagen. Nicht zum erstenmal überlegte Neumann, wie sehr er sich im Lauf der Jahre daran gewöhnt hatte, Steiner das Denken zu überlassen.
Er versuchte erneut, Steiner über das Funkgerät zu erreichen. »Adler Eins, bitte kommen«, sagte er auf englisch. »Hier spricht Adler Zwei.« Keine Antwort. Er gab das Gerät zurück an Hagl, der im Schutz der Brückenmauer in Deckung lag. Den Lauf seines Bren hatte er durch ein Abflußloch geschoben, so daß er einen größeren Geländestreifen unter Feuer halten konnte. Neben ihm war ein Vorrat an Munition säuberlich aufgestapelt. Auch
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