Der Adler ist gelandet
man Mut, und Mut ist etwas, das nie aus der Mode kommt.«
Der Junge starrte zu ihm hinauf. »Warum bist du ein Deutscher?« fragte er. »Warum bist du nicht auf unserer Seite?«
Steiner lachte laut auf. »Gehen Sie, bringen Sie ihn weg von hier«, sagte er zu Betty. »Sonst kriegt er mich am Ende noch herum.« Sie nahm den Jungen bei der Hand und eilte fort. Jenseits der Mauer zogen die Leute den Hügel hinab. In diesem Augenblick tauchte der Spähwagen aus dem Hohlweg von Hawks Wood, hielt an und richtete seine Kanone auf das Kirchenportal. Steiner nickte bitter. »So, Major, auf zum letzten Gefecht. Auf die Plätze.« Er salutierte und trat zurück unters Kirchenportal, wo Devlin die ganze Zeit über wortlos gewartet hatte.
»Ich hätte nie gedacht, daß Sie so lange schweigen können«, sagte Steiner.
Devlin grinste. »Ehrlich gesagt, mir ist einfach kein einziges Wort eingefallen, außer Hilfe. Darf ich jetzt reingehen und beten?«
Vom Hügel aus beobachtete Molly, wie Devlin zusammen mit Steiner durch das Portal trat und in der Kirche verschwand, und das Herz wurde ihr schwer. »O Gott«, dachte sie, »ich muß irgend etwas tun.« Sie stand auf, und im gleichen Augenblick liefen ein Dutzend Rangers, angeführt von dem großen schwarzen Sergeant, ein gutes Stück hinter der Kirche, wo man sie nicht sehen konnte, unter den Bäumen hervor und über die Straße. Dann pirschten sie sich an der Mauer entlang und durch die Zauntür in den Pfarrgarten.
Aber sie gingen nicht ins Haus. Sie sprangen über die Friedhofsmauer, näherten sich von der Turmseite her der Kirche und rückten bis zum Hauptportal vor. Der große Sergeant trug eine Seilrolle auf der Schulter, und Molly sah, wie er nach der Regenrinne über dem Portal sprang, sich hochzog und an den Weinranken ein paar Meter bis zu den unteren Dachgesimsen kletterte. Dort entrollte er das Seil, warf das Ende hinunter, und die übrigen Männer klommen daran hoch.
Jäh entschlossen sprang Molly in den Sattel, trieb ihr Pferd quer über die Heide und dann hinunter zu den Bäumen hinter dem Pfarrhaus.
In der Kirche war es sehr kalt, und bis auf das Flackern der Kerzen und den blutroten Schein des Ewigen Lichts so dunkel wie in einer Gruft. Sie waren jetzt noch acht: Devlin, Steiner, Neumann, Werner Briegel, Altmann, Jansen, Becker und Preston. Daß ein neunter Mann in der Kirche war, wußten sie nicht. Im Gedränge des allgemeinen Aufbruchs hatten die Dörfler Arthur Seymour vergessen, der sich noch immer mit gefesselten Händen und Füßen neben dem toten Sturm in der Marienkapelle befand. Er hatte sich mit viel Mühe an der Mauer aufgerichtet und nestelte nun an dem Strick um seine Handgelenke. Die irren Augen waren starr auf Preston gerichtet.
Steiner rüttelte an den Türen von Turm und Sakristei, die beide verschlossen schienen, dann warf er einen Blick hinter den Vorhang, der den Turm vom Kirchenschiff trennte. Dort führten Seile durch Löcher in der Holzdecke hoch hinauf zu den Glocken, die seit 1939 nicht mehr geläutet hatten.
Er machte kehrt, schritt durch den Mittelgang und wandte sich an seine Leute. »Jungs, die Parole lautet: Der Kampf geht weiter.« Preston sagte: »Das ist doch lächerlich. Wie sollen wir weiterkämpfen?
Die anderen haben die nötigen Leute und Waffen. Wir könnten die Kirche keine zehn Minuten lang halten, wenn sie erst richtig loslegen.« »Die Sache ist ganz einfach«, sagte Steiner. »Wir haben keine Wahl. Wie ihr wißt, haben wir einen schweren Verstoß gegen die Genfer Konvention begangen, weil wir britische Umformen trugen.«
»Wir haben als deutsche Soldaten gekämpft«, beharrte Preston. »In deutschen Uniformen. Das sagten Sie selbst.«
»Ein stichhaltiges Argument«, sagte Steiner. »Trotzdem möchte ich nicht meine Verteidigung darauf aufbauen müssen, auch nicht mit einem erstklassigen Anwalt. Wenn es schon eine Kugel sein muß, dann lieber jetzt als später von einem Exekutionskommando.«
»Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie sich so aufregen«, meinte Neumann. »Ihnen blüht doch ohnehin auf jeden Fall der Strick. Soviel ich weiß, hatten die Engländer noch nie besonders viel für Verräter übrig. Die werden Sie so hoch hängen, daß nicht einmal die Krähen rankommen.« Preston sank auf eine Kirchenbank und begrub das Gesicht in den Händen.
In diesem Augenblick begann die Orgel zu brummen, und Hans Altmann rief von der Empore herab: »Sie hören ein Präludium von Johann Sebastian Bach, das gut zu
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