Der Adler ist gelandet
südafrikanischen Sonnenbräune, die nie ganz verblaßt war, sah sie hübsch aus.
»Ganz gut«, sagte Voreker. »Nur daß ich allmählich sterbe vor Langeweile. Eine einzige Neuigkeit gibt es, seit wir uns zuletzt sahen. Erinnern Sie sich an meine Schwester Pamela? Sie ist zehn Jahre jünger als ich, zur Zeit Corporal im Weiblichen Hilfskorps der Air Force.« »Natürlich erinnere ich mich«, sagte Mrs. Grey. »Was ist mit ihr?« »Sie wurde zur Bomberbasis von Pangbourne verlegt, nur fünfzehn Meilen von hier, also werde ich sie von Zeit zu Zeit zu sehen kriegen. Sie kommt übers Wochenende her.«
»Das freut mich aber.« Joanna Grey schwang sich aufs Fahrrad. »Schach heute abend?« fragte er hoffnungsvoll. »Gern. Kommen Sie um acht und essen Sie mit mir. Muß jetzt weiter.«
Sie radelte am Fluß entlang davon, der Hund lief hinterher. Ihre Miene war ernst geworden, eine Fülle von Problemen gingen ihr im Kopf herum. Die Funkmeldung, die am Vorabend vom Hauptquartier der Abwehr in Berlin über die Relaisstation Flosberg an der holländischen Küste eingegangen war, hatte ihr einen gewaltigen Schock versetzt. Sie hatte sie dreimal dechiffriert, um ganz sicherzugehen, daß ihr kein Irrtum unterlaufen war.
Bis fünf Uhr morgens hatte sie kaum geschlafen. Sie hatte die Lancaster- und Whitley-Bomber gehört, die meerwärts nach Deutschland gestartet und ein paar Stunden später zurückgekehrt waren. Endlich war sie doch noch eingeschlafen und zu ihrem eigenen Erstaunen um halb acht Uhr voll Tatendrang erwacht.
Es war ihr, als hätte sie zum erstenmal eine wirklich wichtige Aufgabe zu erfüllen. Dieser Plan mit Churchill - der war einfach unglaublich. Sie lachte laut auf. Ha, das würde den verdammten Engländern gar nicht passen. Ein weltbewegendes Ereignis auf ihre Kosten... Als sie den Hügel zur Hauptstraße hinunterfuhr, ertönte hinter ihr ein Hupsignal, und eine kleine Limousine überholte sie und hielt am Wegrand. Der Mann am Steuer hatte einen großen, weißen Schnurrbart und den blühenden Teint eines wackeren Whiskytrinkers. Er trug die Uniform eines Oberstleutnants der Home Guard. »Morgen, Joanna«, rief er jovial.
Die Begegnung hätte nicht gelegener kommen können. Sie ersparte Mrs. Grey einen für nachmittags geplanten Besuch in Studley Grange. »Guten Morgen, Sir Henry«, sagte sie und stieg vom Fahrrad. Er kletterte aus dem Wagen. »Wir haben Samstagabend ein paar Leute da. Bridge und so weiter. Danach Abendessen. Nichts Aufregendes. Jean meint, es könnte Ihnen Spaß machen.«
»Wie reizend von Lady Willoughby. Schrecklich gern«, sagte Joanna Grey. »Sie muß eine Menge um die Ohren haben, so kurz vor dem großen Tag.«
Sir Henry blickte ein wenig besorgt drein und senkte die Stimme. »Joanna, Sie haben doch mit niemandem darüber gesprochen, wie?« Joanna Grey setzte eine angemessen entrüstete Miene auf. »Natürlich nicht. Sie haben es mir doch im strengsten Vertrauen mitgeteilt.« »Hätte es eigentlich überhaupt nicht sagen sollen, aber ich weiß doch, daß ich Ihnen vertrauen kann, Joanna.« Er legte ihr den Arm um die Taille. »Keinen Ton über Samstagabend, altes Mädchen, mir zuliebe, ja? Laß nur einen einzigen was spitzkriegen, und schon erfährt's das ganze Land.« »Für Sie tu' ich alles, das wissen Sie«, sagte sie ruhig. »Wirklich, Joanna?« Seine Stimme wurde heiser, und sie fühlte einen leicht zitternden Schenkel an ihrem Bein. Er riß sich sofort wieder los. »So, muß jetzt weiter. Zonenstabsbesprechung in Holt.«
»Sie müssen schrecklich aufgeregt sein«, sagte sie. »Der Premier unter Ihrem Dach!«
»Bin ich auch. Sehr große Ehre.« Sir Henry strahlte. »Er möchte ein bißchen malen, und Sie kennen ja die malerische Aussicht von Studley Grange.« Er stieg wieder in den Wagen. »Bin vorhin am jungen Voreker vorbeigefahren. Finde nicht, daß er besonders gut aussieht.« »Er hat wohl im Moment eine ziemlich schlechte Strähne«, sagte sie. »Verständlich, wenn man's bedenkt. Noch vor ein paar Monaten bei der Fallschirmtruppe, im Einsatz, ganzer Kerl und so. Jetzt geht's bloß noch darum, wie er die Textilpunkte für einen neuen Talar zusammenkriegt. Übrigens, wo wollen Sie denn hin?«
Auf diese Frage hatte sie die ganze Zeit gewartet. »Nur ein bißchen die Vögel beobachten. Vielleicht drüben in Cley oder in den Marschen. Ich weiß noch nicht. Im Moment sind interessante Zugvögel auf der Durchreise.«
»Dann passen Sie nur gut auf.« Sein Gesicht war ernst.
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