Der Adler ist gelandet
elektronisches Wunder, das in Minuten eine Aufgabe löste, die früher Stunden in Anspruch genommen hätte. Die Maschine hatte eine Tastatur wie eine normale Schreibmaschine. Der Kodierer tippte den Text hinein, der automatisch dechiffriert und in einer versiegelten Rolle ausgestoßen wurde. Es war einer der Vorzüge dieses Systems, daß nicht einmal derjenige, der das Gerät bediente, das Resultat zu sehen bekam.
Zwanzig Minuten später war Hofer wieder in Radls Büro und wartete schweigend, während der Oberst den Bericht las. Radl blickte zufrieden auf und schob Hofer den Text zu. »Lesen Sie, Hofer, lesen Sie das. Ausgezeichnet, ganz ausgezeichnet. Fabelhafte Frau.«
Er wartete ungeduldig, bis Hofer zu Ende gelesen hatte. Endlich blickte der Stabsfeldwebel auf. »Sieht ganz hoffnungsvoll aus.« Radl, der ruhelos im Zimmer auf und ab gewandert war, blieb abrupt stehen. »Hoffnungsvoll? Ist das alles, was Sie zu sagen haben? Lieber Gott, Mann, es ist eine klare Möglichkeit. Eine höchst reale Möglichkeit. Und daß es sich um ein ehemaliges Sperrgebiet handelt, das kein Mensch mehr ernst nimmt. Sie wissen, daß solche Plätze meist am leichtesten zugänglich sind.«
Er war so erregt, wie seit Monaten nicht mehr. Das war schlecht für ihn, für sein Herz, das durch die schweren Verwundungen so geschwächt war. Die leere Augenhöhle unter der schwarzen Klappe begann zu hämmern, die Aluminiumhand im Lederhandschuh schien lebendig zu werden, jede Sehne zum Zerreißen gespannt. Er rang nach Atem und sank auf seinen Sessel.
Im Handumdrehen hatte Hofer die Courvoisierflasche aus dem Schreibtisch geholt, ein Glas zur Hälfte gefüllt und hielt es dem Oberst an die Lippen. Radl leerte es fast ganz, hustete heftig und schien dann den Anfall überwunden zu haben.
Er grinste schief. »Kann ich mir nicht mehr oft leisten, was, Hofer? Nur noch zwei Flaschen sind da. Heutzutage flüssiges Gold.« »Der Herr Oberst sollten sich nicht so aufregen«, sagte Hofer und setzte unverblümt hinzu: »Das können Sie sich nicht leisten.« Radl nahm noch ein Schlückchen. »Ich weiß, Hofer, ich weiß, aber verstehen Sie denn nicht? Bis jetzt war es ein Witz, ein Einfall, den der Führer an einem Mittwoch im Zorn geäußert und am Freitag wieder vergessen hat. Eine Durchführbarkeits-Analyse hatte Himmler vorgeschlagen, nur um dem Admiral Scherereien zu machen, und der Admiral hat mir befohlen, irgend etwas zu Papier zu bringen. Einfach irgendwas, Hauptsache, man würde sehen, daß wir nicht auf der faulen Haut liegen.«
Er stand auf, ging zum Fenster und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. »Aber jetzt ist die Lage von Grund auf verändert, Hofer. Jetzt ist es kein Witz mehr. Jetzt könnte man damit Ernst machen.« Hofer stand unerschütterlich neben dem Schreibtisch, er zeigte keine Spur von Erregung. »Jawohl, Herr Oberst, sieht ganz so aus.« »Und diese Möglichkeit macht überhaupt keinen Eindruck auf Sie?« Radl bebte. »Mein Gott, mir ist sie in alle Knochen gefahren. Bringen Sie mir die Seekarten und die Generalstabskarte.«
Hofer breitete alles auf dem Schreibtisch aus, Radl fand Hobs End und zog die dazugehörigen Fotos heran. »Wirklich fabelhaft«, sagte er. »Ein Strand, so verlassen, wie man sich's nur wünschen kann, gilt als vermint, ist es aber nicht, unbewacht, weil die Engländer keine Invasion mehr befürchten.« Er warf den Bleistift auf den Tisch. »Das ideale Landegebiet für Fallschirmspringer, und laut Mrs. Grey kommt an dem betreffenden Wochenende mit Tagesanbruch die Flut herein, und alle Spuren würden säuberlich getilgt.«
»Aber auch eine sehr kleine Abteilung müßte in einer Transportmaschine oder einem Bomber hinübergebracht werden«, bemerkte Hofer. »Können Sie sich vorstellen, daß eine Dornier oder eine Junkers über der Küste von Norfolk lange unbemerkt bliebe? Die zahlreichen Bomberbasen dort werden von regulären Nachtjägerpatrouillen abgeschirmt.« »Ein Problem«, sagte Radl, »zugegeben, aber es müßte zu lösen sein. Die Zielkarte der Luftwaffe weist für diesen Küstenabschnitt keinen Tiefflug-Radarschutz aus, was bedeutet, daß ein Anflug in einer Höhe unter zweihundert Meter unbemerkt bliebe; aber solche Einzelheiten sind im Moment unwesentlich, damit können wir uns später befassen. Eine Durchführbarkeits-Analyse, mehr wird von uns zunächst nicht verlangt. Geben Sie zu, Hofer, daß es theoretisch möglich wäre, an diesem Strand einen Kampfverband
Weitere Kostenlose Bücher